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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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Vergessen füllen wird. In dem Saal an diesem Abend gab es wenige Leute – die meisten waren weiß –, die in einem Krieg Söhne und Töchter verloren oder in einem gekämpft hatten, doch die Männer auf dem Podium, einige von ihnen, waren in einer Armee gewesen oder hatten die Kämpfer besucht. Es waren auch Männer dabei, die für einen politischen Krieg oder für den Guerilla-Krieg ausgebildet worden waren, in der Sowjetunion oder in Lagern, die die Sowjetunion in Afrika eingerichtet hatte. Und ziemlich viele in diesem Publikum hatten »früher« verschiedene Teile Afrikas bereist. Zwischen ihnen und den Aktivisten gab es eine tiefe Kluft, aber alle jubelten.
    Zwanzig Jahre Krieg hatten mit einzelnen »Unruhen in der Bevölkerung« oder »Ungehorsam« begonnen, mit Streiks oder mit finsterem Groll, der sich in Mord und Brandstiftung entlud, und aus all diesen Flüsschen war jene Flut geworden, der Krieg, zwanzig Jahre Krieg, die bald vergessen sein sollten, außer bei feierlichen Anlässen. Der Lärm im Saal war ungeheuer und ließ nicht nach. Die Leute schrien und weinten und umarmten einander und küssten Fremde, und auf dem Podium folgte ein Redner auf den anderen, Schwarze und Weiße. Franklin, der bereits eine Rede gehalten hatte, sprach noch einmal. Die Menge mochte ihn, diesen rundlichen, vergnügten Mann, der – wie es hieß – bald der Regierung angehören würde, die Genosse Matthew Mungozi bildete, der bei der letzten Wahl unerwartet die Mehrheit gewonnen hatte: Präsident Mungozi, bis vor Kurzem nur ein Name unter einem Dutzend möglicher politischer Führer. Und da war auch Genosse Mo, der zu spät kam, aufgeregt grinste und winkte und auf das Podium sprang, um zu erzählen, dass er gerade von den Linien der Freiheitskämpfer zurückgekommen sei, die ihre Waffen niederlegten und planten, wie sie die süßen Träume verwirklichen könnten, die jahrelang ihr Antrieb gewesen seien. Genosse Mo erzählte dem Publikum gestikulierend, bewegt und weinend von diesen Träumen: Sie seien mit den Nachrichten vom Krieg so beschäftigt gewesen, dass sie keine Zeit gehabt hätten, daran zu denken, dass sie schon bald hören würden: »Und jetzt bauen wir gemeinsam die Zukunft auf.« Genosse Mo war eigentlich nicht aus Simlia, aber das machte nichts, denn niemand sonst war erst vor so kurzer Zeit bei den Freiheitskämpfern gewesen, nicht einmal Genosse Matthew, der bei den Gesprächen mit Whitehall und auf internationalen Versammlungen zu viel zu tun gehabt hatte. Die meisten politischen Führer auf der Welt hatten ihm schon ihre Unterstützung zugesichert. Über Nacht war er eine internationale Figur geworden.
    Frances und Sylvia hatten keine Möglichkeit, den Saal zu verlassen, und das Geschrei und die Tränen und die Reden gingen weiter, bis der Hausmeister kam und sagte, dass von der bezahlten Zeit noch zehn Minuten übrig seien. Stöhnen und Buhrufe und Schreie:
Faschisten.
Alles drängte zu den Türen hin. Frances blieb an ihrem Platz und schaute zu Johnny auf und fand, dass er ihre Anwesenheit doch zumindest zur Kenntnis nehmen sollte, und er nickte ihr streng und ernst zu. Da war Rose, sie kletterte auf das Podium, um Johnny zu begrüßen, der sie mit einem Nicken bedachte. Dann blieb Rose vor Franklin stehen und behinderte die Leute, die ihm die Hand schütteln, ihn umarmen oder sogar auf den Schultern aus dem Saal tragen wollten.
    Als Frances und Sylvia in das Foyer gelangt waren, kam Rose und platzte vor Stolz über ihren Triumph. Franklin hatte ihr ein Interview mit Genosse Matthew versprochen. Ja, sofort. Ja, ja, ja, hatte er versprochen, er werde mit Genosse Matthew reden, der nächste Woche in London sei, und Rose werde ihr Interview bekommen.
    »Siehst du?«, sagte Rose zu Frances, ohne Sylvia zu beachten. »Ich mache nämlich meinen Weg.«
    »Wohin?«, war die erwartete Antwort, und Frances gab sie ihr.
    »Du wirst schon sehen«, sagte Rose. »Ich wollte nur eine Chance, weiter nichts.«
    Sie ließ die beiden stehen, um sich wieder ihren Pflichten als Saalordnerin zu widmen.
    Frances und Sylvia standen auf dem Gehweg, und um sie herum liefen glückliche Menschen, die sich nicht voneinander trennen wollten.
    »Wir müssen uns treffen, Frances«, sagte Sylvia. »Es ist wichtig – und nicht nur wir, alle.«
    »Alle!«
    »Ja, du wirst sehen, warum.«
    Das Treffen sollte in einer Woche stattfinden, und Sylvia versprach, für die ganze Nacht nach Hause zu kommen.
    Rose las über Genosse Matthew,

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