Ein süßer Traum (German Edition)
Institution, für die sie arbeiteten, insgeheim nicht mochten, und als beide hätten gehen können, um für andere Zeitungen zu arbeiten, blieben sie – wegen des jeweils anderen. Was keiner von ihnen wusste, weil sie es lange Zeit nicht zugaben. Frances hatte festgestellt, dass sie Gefahr lief, diesen Mann zu lieben, und als es zu spät war, tat sie es schon. Warum auch nicht? Alles schritt langsam, aber befriedigend voran. Rupert wollte mit Frances zusammenleben. »Warum ziehst du nicht zu mir?«, schlug er vor. Er hatte eine Wohnung in Marylebone. Frances sagte, sie wolle einmal in ihrem Leben eine eigene Wohnung beziehen. In ungefähr einem Jahr werde sie genügend Geld haben. Er sagte: »Aber ich leihe dir das Geld, was noch fehlt.« Sie schreckte zurück und führte Ausreden an. Das wäre nicht gänzlich ihre Wohnung, der Ort auf der Welt, an dem sie sagen könnte: Das gehört mir. Er verstand sie nicht und war verletzt. Trotz dieser Meinungsverschiedenheiten blühte ihre Liebe. Sie blieb über Nacht in seiner Wohnung, nicht zu oft, weil sie Angst hatte, Julia zu verärgern, und aus Angst vor Colin. Rupert sagte: »Warum denn? Du bist doch über einundzwanzig?«
Wenn man älter wird, kommt es oft genug zu jenen Momenten, in denen ein Gewirr aus blau geschlagener und blutender Geschichte einfach zu Ende geht und sich davonmacht. Sie hatte nicht das Gefühl, ihm das erklären zu können. Und sie wollte nicht: Lassen wir’s auf sich beruhen. Basta. Finis. Rupert würde das nicht verstehen. Er war verheiratet gewesen, und es gab zwei Kinder, die bei ihrer Mutter lebten. Er sah sie regelmäßig, und Frances inzwischen auch. Aber er hatte die brutalen Belastungen der Pubertät noch nicht durchgemacht. Er sagte genau wie Wilhelm: »Wir sind doch keine Teenager, die sich vor den Erwachsenen verstecken.« »Na, ich weiß nicht. Aber in der Zwischenzeit – macht es Spaß.«
Es gab etwas, das ein Problem hätte sein können, aber keines war. Er war zehn Jahre jünger als sie mit ihren beinahe sechzig! Ab einem bestimmten Alter machen zehn Jahre hier oder da nicht mehr viel aus. Ganz abgesehen vom Sex, den sie als angenehm in Erinnerung hatte, war sie bei ihm in bester Gesellschaft. Er brachte sie zum Lachen, etwas, das sie brauchte, das wusste sie. Wie leicht es war, glücklich zu sein, stellten sie beide fest und gaben es mit einer gewissen Verwunderung zu. Wie konnte es sein, dass Dinge ihnen so leicht fielen, die schwierig gewesen waren, lästig, schmerzhaft?
Unterdessen gab es offenbar keine Unterkunft für diese Liebe, die alltäglich war wie das Brot und gar keine Teenager-Spielerei.
Als die Unabhängigkeit Simlias gefeiert wurde, strömten die Menschenmassen aus dem Saal auf die Treppe und die Gehwege und drohten die Straßen zu verstopfen, wie es früher bei den Polit-Partys für Kenia, Tansania, Uganda und Nord-Simlia gewesen war. Wahrscheinlich war der größte Teil der Feiernden auch bei allen früheren Festivitäten gewesen. Hier gab es alle möglichen siegesbewussten Emotionen, von der stillen Befriedigung derjenigen, die jahrelang gearbeitet hatten, bis zur grinsenden, aufgeblasenen Hochstimmung derer, die sich an Menschenmengen berauschten wie an Liebe oder Hass oder Fußball. Frances war hier, weil Franklin sie angerufen hatte. »Du musst dabei sein. Nein, du musst kommen. All meine früheren Freunde müssen kommen.« Es war sehr schmeichelhaft. »Und wo ist Miss Sylvia? Sie muss auch kommen, bitte, frag sie.« Jetzt schoben Sylvia und Frances sich gemeinsam durch die Menge, obwohl Sylvia gesagt hatte und immer wieder sagte: »Frances, ich muss etwas mit dir besprechen. Es ist wichtig.«
Jemand zupfte an Frances’ Ärmel. »Mrs. Lennox? Sind Sie Mrs. Lennox?« Sie wurde bedrängt von einer jungen Frau, die allgemeine Orientierungslosigkeit ausstrahlte und deren rotes Haar so struppig war wie das einer Flickenpuppe. »Ich brauche Ihre Hilfe.«
Frances und hinter ihr Sylvia blieben stehen. »Was ist denn?«, schrie Frances.
»Sie waren so wunderbar zu meiner Schwester. Sie schuldet Ihnen ihr Leben. Bitte, ich muss Sie einfach besuchen.« Auch sie schrie.
Langsam dämmerte es ihr. »Verstehe. Aber ich glaube, sie wollen zu der anderen Mrs. Lennox, Phyllida.«
Heftiges Misstrauen, Frustration, dann Bestürzung verzerrten diese Züge. »Sie wollen nicht? Sie können nicht? Sie sind nicht …«
»Sie haben die falsche Mrs. Lennox erwischt.« Und Frances ging weiter, während Sylvia sich
Weitere Kostenlose Bücher