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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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erschien Sophie und entschuldigte sich vielmals. Sie trug ein lose sitzendes weißes Kleid, über das ihr schwarzes Haar herabwallte; ihr Gesicht wirkte nicht gezeichnet von Liebe oder Schmerz, aber ihre Augen erzählten eine andere Geschichte.
    Frances trug das Essen auf und hatte keine Hand frei. Sie drehte den Kopf, damit Sophie sie auf die Wange küssen konnte. Sophie glitt auf einen Stuhl gegenüber von Colin, und als sie merkte, dass er sie ernst betrachtete, sagte sie: »Liebster Colin.«
    »Dein Opfer ist oben, er ist aus den Latschen gekippt«, verkündete Colin.
    »Das war aber nicht nett«, sagte Frances.
    »Sollte es auch nicht.«
    Sophie hatte Tränen in den Augen.
    Wilhelm wandte sich an Colin: »Schönen Frauen darf man nie Vorwürfe machen, wenn sie Schaden anrichten. Sie haben die Erlaubnis der Götter, uns zu martern.« Er nahm Julias Hand, küsste sie einmal, zweimal, seufzte, ließ die alte Hand sinken und tätschelte sie.
    Rupert kam ebenfalls. Er gehörte zum Inventar, ohne dass jemand ein erklärendes Wort sagte oder verlangte, und wurde – so hoffte Frances – akzeptiert. Colin warf ihm einen langen, nicht unfreundlichen Blick zu, aber so düster, als wäre er in seiner Einsamkeit bestätigt worden.
    Rupert setzte sich neben Frances und nickte allen zu. »Eine Versammlung. Aber es ist ein Essen.«
    Frances reichte jedem einen gefüllten Teller und stellte Weinflaschen in die Mitte des Tisches.
    »Das ist großartig, Frances, es ist so wunderbar – wie damals, ach, ich denke so oft daran, wie wir alle hier saßen. Es waren wunderbare Abende«, plapperte Sophie. Aber sie war den Tränen nahe und zerrupfte ein Stück Brot mit ihren langen, dünnen Fingern, die für Ringe gemacht waren.
    Jetzt schoss der kleine Hund, der aus seiner Gefangenschaft entkommen war, in die Küche und sprang auf Colins Schoß. Dort blieb er sitzen, und sein Schwanz sah wie ein schwungvoller Staubwedel aus.
    »Runter, Vicious. Runter, sofort.« Aber das Tier hatte sich auf Colins Schoß niedergelassen und versuchte ihm das Gesicht zu lecken.
    »Es ist nicht gesund, wenn man Hunde das Gesicht lecken lässt«, sagte Sylvia.
    »Ich weiß.«
    »Dieser Hund«, sagte Julia, »er ist wirklich verrückt. Jedes Mal, wenn ich Vicious höre, muss ich lachen.«
    »Lachen ist gesund«, sagte Colin. »Was meinst du dazu, Sylvia?«
    »Vielleicht können wir einfach weiteressen.« Sylvia hatte ihr Essen kaum angerührt.
    »Das schmeckt so wunderbar.« Sophie langte zu, als wäre sie halb verhungert.
    Auch Andrew erschien wieder, krank, aber aufrecht. Er und Sophie tauschten elende Blicke aus. Frances stellte Andrew einen Teller mit Essen hin, aber er sagte: »Können wir anfangen? Sophie und ich haben es eilig.« Der Blick, den er Sophie zuwarf, war wie eine klägliche Bitte, und ihr schien das peinlich zu sein.
    »Müssen wir rekapitulieren?«, fragte Sylvia, die erleichtert den Teller beiseiteschob und ihre Papiere zurechtlegte. »Ich habe allen eine Zusammenfassung geschickt.«
    »Und die war sehr gut«, sagte Andrew. »Danke.«
    Folgendes war die Situation: Eine Gruppe junger Ärzte wollte eine Kampagne starten und die Regierung dazu bringen, dass Schutzräume gegen radioaktiven Niederschlag gebaut wurden, die im Ernstfall jedoch auch bei einem ausgewachsenen atomaren Angriff genutzt werden konnten. Das Problem war, dass die Organisation für atomare Abrüstung, die »Campaign for Unilateral Nuclear Disarmament«, eine geräuschvolle, energische, effiziente Macht war und sich gegen jeden Versuch wehrte, irgendwelche Schutzräume zur Verfügung zu stellen oder die Öffentlichkeit auch nur über elementaren Schutz zu informieren. Der Ton ihrer Polemik war kritisch bis zur Verächtlichkeit, heftig, geradezu hysterisch.
    Julia sagte: »Ihr müsst mir etwas erklären. Warum beklagen sich diese Leute so oft darüber, dass die Regierung Vorkehrungen trifft, um sich und die Royal Family zu schützen?« Es wurde ständig gehöhnt, dass »die Regierung auf jeden Fall dafür sorgt, dass sie geschützt ist, egal, was aus uns wird«. »Das verstehe ich einfach nicht«, sagte Julia. »Wenn es einen Krieg gibt, ist es doch entscheidend, dass die Regierung weiterbesteht, das gebietet doch der gesunde Menschenverstand?«
    »Ich glaube nicht, dass diese Kampagne viel mit gesundem Menschenverstand zu tun hat«, erklärte Wilhelm. »Das sind Leute, die noch keinen Krieg erlebt haben, sonst würden sie nicht so dummes Zeug reden.«
    »Sie denken

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