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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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eingerichtet war, und die Messe wurde in der Sprache der Gegend gehalten. Die Frauen erhoben sich von ihren Stühlen und tanzten kraftvoll ihre Anbetung und sangen – ach, schön, ja, schön sangen sie –, und es war eine lautstarke, fröhliche Veranstaltung, wie eine Party. Sylvia fragte sich, ob sie je eine richtige Katholikin gewesen sei und ob sie jetzt eine sei, obwohl Pater McGuire sie als ihr Mentor beruhigte. Sie fragte sich in der kleinen Kapelle, in die der Staub hineinwehte, ob es ihr besser gefallen würde, wenn der Gottesdienst lateinisch wäre und wenn die Gläubigen aufstehen und sich hinknien und respondieren würden, wie es dem alten Brauch entsprach. Ja, das würde ihr besser gefallen, sie hasste die Messe, wie Pater McGuire sie abhielt, sie hasste die fleischliche Tanzerei und den Jubel der Singenden, der, wie sie wusste, eine Befreiung von den Fesseln ihres armen, eingeschränkten Lebens war. Und selbstverständlich mochte sie die Nonnen in ihrem blau-weißen Habit nicht, das aussah wie eine Schulmädchenuniform.
    Er sagte zu ihr: »Sylvia, Sie müssen lernen, die Dinge nicht so schwer zu nehmen.«
    Sie platzte heraus: »Ich halte das nicht aus, Pater. Ich kann nicht ertragen, was ich sehe. Neun Zehntel davon sind nicht nötig.«
    »Ja, ja, ja. Aber so ist es nun mal. Es ist so. Jetzt. Es wird sich ganz bestimmt ändern. Ja, es ändert sich bestimmt. Aber, Sylvia, ich sehe, dass Sie das Zeug zur Märtyrerin haben, und das ist nicht gut. Würden Sie lächelnd zum Scheiterhaufen gehen? Ja, ich glaube schon. Sie verbrennen sich selbst. Und jetzt werde ich Ihnen etwas verschreiben, wie Sie es mit diesen armen Leuten machen. Sie müssen dreimal täglich ordentlich essen. Sie müssen länger schlafen – noch um elf oder um zwölf oder noch später sehe ich Licht unter Ihrer Tür. Und Sie müssen jeden Abend einen Spaziergang im Busch machen. Oder jemanden besuchen. Sie können meinen Wagen nehmen und zu den Pynes fahren. Das sind gute Menschen.«
    »Aber ich habe nichts mit ihnen gemein.«
    »Sylvia, sind sie Ihnen etwa nicht gut genug? Wussten Sie, dass sie den ganzen Krieg über in diesem Haus geblieben sind – wo sie belagert wurden? Man hat ihnen das Haus über dem Kopf angezündet. Das sind tapfere Leute.«
    »Aber für die verkehrte Sache.«
    »Ja, das stimmt, ja, sicher, aber das sind keine Teufel, nur weil in der Zeitung steht, dass alle weißen Farmer Teufel sind.«
    »Ich tue mein Bestes, um mich zu bessern. Ich weiß, dass ich immer zu engagiert bin.«
    »Sie und Rebecca – ihr beide seid wie kleine Klippschliefer in einem Dürrejahr. Aber Rebecca hat immerhin sechs Kinder, und keines bekommt genug zu essen. Und Sie ernähren sich nicht richtig, weil Sie aus irgendeinem Grund …«
    »Ich habe noch nie besonders viel gegessen. Offenbar mache ich mir nichts daraus.«
    »Wie schade, dass wir nicht ein paar Eigenschaften finden, die wir gemeinsam haben. Ich esse gern, Gott vergebe mir, ich esse einfach gern.«
     
    Sylvias Leben war jetzt wie ein Rundgang von ihrem kleinen Zimmer zu dem Tisch im Hauptraum, zum Krankenhaus hinunter und wieder zurück, immer im Kreis. Sie war kaum je in der Küche gewesen, in Rebeccas Bereich, hatte nie Pater McGuires Zimmer betreten, und von Aaron wusste sie nur, dass er irgendwo hinten im Haus schlief. Als der Priester nicht zum Abendessen kam und Rebecca sagte, er sei krank – ja, er werde oft krank –, ging Sylvia zum ersten Mal in sein Zimmer. Es roch stark nach frischem und abgestandenem Schweiß, die sauren Gerüche der Krankheit. Er lag auf seine Kissen gestützt da, und als er zur Seite glitt, schien der Kopf lose auf seinen Schultern zu sitzen. Er war sehr still, nur seine Brust hob und senkte sich schwer. Malaria. Das war der ruhige Teil des Zyklus.
    Kleine Fenster, von denen eins gesprungen war, standen offen über der nassen Erde, und frische Luft kam herein und kämpfte mit den Gerüchen. Pater McGuire war kalt, er war feucht, das verschwitzte Nachthemd klebte an ihm, sein Haar war verfilzt. Heiße Jahreszeit oder nicht, er konnte sich erkälten. Sylvia rief Rebecca, und die beiden Frauen hievten den protestierenden Mann in einen Sessel aus Schilf, der unter seinem Gewicht ächzte. Rebecca sagte: »Ich will das Bett frisch beziehen, wenn der Pater krank ist, aber er sagt immer: Nein, nein, lasst mich.«
    »Gut, dann beziehe ich es.«
    Das Bett war frisch bezogen, der Patient legte sich wieder hin, und während er über Kopfschmerzen

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