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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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Er gehörte zu denen, die um einen autoritären Gesichtsausdruck kämpfen müssen. Er war von Natur aus freundlich und wollte gerne gefallen; das Stirnrunzeln, das er aufsetzte, stand ihm nicht. »Und was wollen Sie mit all diesen Kondomen machen, wenn ich fragen darf?«
    »Mr. Mandizi, Sie haben doch sicher gehört, dass es eine schlimme Krankheit gibt … Es ist eine neue, sehr schlimme Krankheit, und sie wird durch Geschlechtsverkehr übertragen.«
    Sein Gesichtsausdruck war der eines Mannes, der etwas Unangenehmes schlucken muss.
    »Ja, ja«, sagte er, »aber wir wissen, dass die Weißen diese Krankheit erfunden haben. Und jetzt sollen wir deswegen Kondome tragen, damit wir keine Kinder bekommen und unser Volk geschwächt wird.«
    »Verzeihen Sie, Mr. Mandizi, aber Sie sind nicht auf dem neuesten Stand. Es stimmt, Ihre Regierung hat gesagt, dass Aids nicht existiert, aber jetzt heißt es, dass es vielleicht doch existiert und dass die Männer Kondome benutzen sollen.«
    Die Gespenster des Hohns jagten einander auf seinem großen, schwarzen, sympathischen Gesicht und lösten das Stirnrunzeln ab. Dann sagte Rebecca etwas zu ihm in ihrer Sprache, und es wirkte offenbar, denn Mr. Mandizi hörte zu und hatte ihr das Gesicht zugewandt, dieser Frau, der er in seiner Kultur nicht zuhören musste, wenn es um solche Themen ging, jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit.
    Er wandte sich an Sylvia: »Sie glauben, diese Krankheit ist hier, in diesem Distrikt, bei uns? Slim ist hier?«
    »Ja, ich weiß, dass es hier ist. Ich weiß es, Mr. Mandizi. Die Leute sterben daran. Sehen Sie, das Problem ist die Diagnose. Die Leute sterben vielleicht an Lungenentzündung oder Tb oder Durchfall oder an Hautläsionen – Wunden –, aber der eigentliche Grund ist Aids. Es ist Slim. Und es gibt viele Kranke. Viel mehr als damals, als ich in das Krankenhaus kam.«
    Wieder sagte Rebecca etwas, und Mr. Mandizi hörte zu, ohne sie anzusehen, aber er nickte.
    »Sie wollen also, dass ich die Zentrale anrufe und sage, dass sie mir die Kondome schicken sollen?«
    »Ja, und wir haben auch die Malariatabletten nicht bekommen. Wir haben gar keine Medikamente bekommen.«
    »Doktor Sylvia hat von ihrem eigenen Geld Medikamente für uns gekauft«, sagte Rebecca.
    Mr. Mandizi nickte; er saß da und überlegte. Dann war er plötzlich ein anderer Mensch, selbst ein Bittsteller, und beugte sich vor und fragte: »Können Sie sagen, ob jemand Slim hat, wenn Sie ihn sehen?«
    »Nein. Es gibt Tests dafür.«
    »Meiner Frau geht es nicht gut. Sie hustet ständig.«
    »Das muss nicht Aids sein. Hat sie abgenommen?«
    »Sie ist dünn. Sie ist viel zu dünn.«
    »Dann sollten Sie sie in das große Krankenhaus bringen.«
    »Das habe ich schon. Sie haben ihr
muti
gegeben, aber sie ist immer noch krank.«
    »Manchmal schicke ich auch Proben nach Senga – von Patienten, die nicht zu krank sind.«
    »Meinen Sie damit, dass Sie keine Proben schicken, wenn jemand sehr krank ist?«
    »Manche Leute kommen zu mir, und sie sind so krank, dass ich weiß, dass sie sterben müssen. Dann hat es keinen Sinn, Geld für Tests zu verschwenden.«
    »In unserer Kultur«, sagte Mr. Mandizi und gewann durch diese so oft genutzte Formel seine Autorität zurück, »in unserer Kultur gibt es gute Medikamente, aber ich weiß, dass ihr Weißen sie verachtet.«
    »Ich verachte sie nicht. Ich bin mit unserem
n’ganga
befreundet. Manchmal bitte ich ihn um Hilfe. Aber er sagt selbst, dass er gegen Aids nichts machen kann.«
    »Vielleicht hat seine Medizin ihr deswegen nicht geholfen?«
    Aber als er hörte, was er gesagt hatte, schien sein ganzer Körper in Panik zu erstarren; er saß reglos da, blickte sie unverwandt an und sprang dann auf und sagte: »Sie müssen jetzt mit mir kommen – ja, jetzt-jetzt –, sie ist hier, in meinem Haus, es sind fünf Minuten.«
    Er schob die beiden Frauen vor sich her aus seinem Büro und an den schweigenden Bittstellern vorbei und sagte: »Ich bin in zehn Minuten wieder im Büro. Warten Sie.«
    Sylvia und Rebecca wurden durch das heiße, staubige, gleißende Licht zu einem der neuen Häuser geführt, die zu zehnt in einer Reihe wie Schachteln im Staub standen. Sie sahen aus wie die großen neuen Häuser, die in Senga hochgezogen wurden, nur der Bedeutung von Kwadere Growth Point entsprechend verkleinert. Purpurrote, violette und magentafarbene Bougainvilleen, die an den Mauern emporkletterten, zeigten an, dass sie vornehm waren: Hier wohnten die

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