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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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hineinklettern zu können, aber Sylvia sagte: »Ich fahre noch nicht nach Hause. Und ich nehme sechs Leute mit, nur sechs. Wir fahren zu dem neuen Krankenhaus, und die Straße ist schlecht.« Sie konnte sehen, wo die Straße anfing, ein holpriger Pfad durch den Busch.
    Rebecca erteilte eindringliche Befehle. Sechs Frauen stiegen hinten auf.
    »Ich hole euch in einer halben Stunde ab«, sagte Sylvia zu den anderen. Der Lastwagen rumpelte und schlingerte zwei Kilometer über Wurzeln, Steine und Schlaglöcher, und sie kamen zu einer Stelle, wo auf einer Lichtung zwischen Bäumen die Umrisse eines Gebäudes markiert worden waren. Es waren große, alte Bäume: Dies hier war altes Buschland, ein bisschen staubig, aber dicht bewachsen und grün.
    Die beiden Frauen und die Kinder stiegen aus dem Führerhaus des Lastwagens, und die sechs Frauen folgten ihnen. Die Frauen standen da und starrten das sogenannte neue Krankenhaus an.
    Schweden? Dänen? Amerikaner? Deutsche? Die Regierung irgendeines Landes hatte sich der Leiden Afrikas annehmen wollen und dafür gesorgt, dass sehr viel Geld hierher geleitet wurde, zu dieser Lichtung, und vor ihnen lag das Ergebnis. Wie vor dem Plan eines Architekten, bemühten sich die Beobachter um eine Vorstellung davon, was aus diesen Fundamenten entstehen sollte, aus den angefangenen und nicht fertiggestellten Wänden. Das Problem war, dass die nächste Rate der Hilfsgelder schon längst hätte kommen müssen, und inzwischen füllten sich die Zimmer, Stationen, Flure, Operationssäle und Apotheken mit hellem Staub. Manche Wände waren hüfthoch, manche nur kniehoch, Betonblöcke hatten Löcher, in denen Wasser stand. Als die Frauen aus dem Dorf sahen, dass es Hoffnung gab, vielleicht etwas Nützliches zu finden, gingen sie hin und holten ein paar Flaschen und ein halbes Dutzend Blechdosen hervor. Sie schüttelten den Staub ab und steckten sie vorsichtig in ihre großen Reisetaschen. Jemand hatte hier gepicknickt, oder ein Wanderer hatte für die Nacht ein Feuer gemacht, um Tiere fernzuhalten. Die Gesichter der Besucher trugen den Ausdruck, den man in letzter Zeit so häufig sah: Wir wollen ja nichts sagen, aber hier hat jemand Mist gebaut. Aber wer? Und warum? Gerüchte sagten, das Geld, das für das Krankenhaus bestimmt war, sei auf dem Weg gestohlen worden; andere sagten, der fraglichen Regierung seien die Gelder ausgegangen.
    Auf der anderen Seite der Lichtung lagen unter den Bäumen große Holzkisten herum. Die sechs Frauen gingen hin, um nachzusehen, und Sylvia und Rebecca folgten ihnen. Eine Kiste war aufgebrochen. Darin war Zahnarztausrüstung: ein Behandlungsstuhl.
    »Schade, dass ich keine Zahnärztin bin«, sagte Sylvia. »Dann könnten wir ihn sicher gebrauchen.«
    Eine andere Kiste war an den Seiten aufgebrochen, und man sah, dass darin ein Rollstuhl war.
    »Ach, Doktor«, sagte eine Frau, »wir dürfen den Stuhl nicht mitnehmen. Vielleicht wird das Krankenhaus ja eines Tages gebaut.« Sie zog den Stuhl heraus.
    »Wir brauchen einen Rollstuhl«, sagte Rebecca.
    »Dann wollen sie bestimmt wissen, wo er herkommt, und unserem Krankenhaus steht kein Rollstuhl zu.«
    »Wir sollten ihn mitnehmen«, sagte Rebecca.
    »Er ist kaputt«, sagte die Frau. Jemand hatte versucht, den Rollstuhl aus seiner hölzernen Verpackung zu ziehen, und ein Rad hatte sich gelöst.
    Vier weitere Kisten lagen herum. Zwei Frauen gingen zu einer hin und begannen, an dem verrotteten Holz zu zerren. Es waren Bettpfannen darin. Ohne Sylvia anzusehen, trug Rebecca ein halbes Dutzend Bettpfannen zum Lastwagen und kam zurück. Eine andere Frau fand Decken, aber sie waren von Insekten angefressen, Mäuse nisteten darin, und Vögel hatten Fäden herausgezogen, um ihre Nester zu polstern.
    »Das wird mal ein gutes Krankenhaus«, sagte eine Frau und lachte.
    »Wir werden in Kwadere ein schönes neues Krankenhaus haben«, sagte eine andere.
    Die Frauen aus dem Dorf lachten, sie amüsierten sich, und dann fielen Sylvia und Rebecca ein. Mitten im Busch, meilenweit entfernt von den Menschenfreunden in Senga (oder besser gesagt, in London, in Berlin, in New York), standen die Frauen und lachten.
    Sie fuhren zurück zum Growth Point, luden die Wartenden auf und fuhren langsam weiter zur Mission, und alle lauschten, ob nicht ein Reifen platzte. Sie hatten Glück. Rebecca und Sylvia brachten die Bettpfannen hinunter zum Krankenhaus. Die Schwerkranken in der großen neuen Hütte, die Sylvia gebaut hatte, nachdem sie gekommen war,

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