Ein süßer Traum (German Edition)
Bücher … aber, Moment, er kannte genau die richtige Person, ja.
Während der langen Zeit, in der er in Pubs gegangen war und mit Leuten auf Parkbänken gesprochen hatte, immer in Begleitung seines kleines Hundes, hatte er einen Spießgesellen gefunden, einen wunderbaren Begleiter. Die siebziger Jahre: Fred Cope verbrachte sein junges Leben so, wie es damals
de rigueur
war, er demonstrierte, fiel über Polizisten her, brüllte Slogans und machte sich allgemein bemerkbar, aber wenn er mit Colin zusammen war, der das alles verabscheute, konnte man ihn zumindest manchmal überreden, das auch kritisch zu sehen. Jeder der beiden jungen Männer wusste, dass der andere einen unterdrückten Aspekt seiner selbst verkörperte. Jedenfalls hätten lautstarke Konfrontationen Colins Temperament entsprochen, wenn sein Urteilsvermögen das nicht verboten hätte. Was Fred Cope anging, so entdeckte er in den achtziger Jahren Verantwortung und Nüchternheit. Er heiratete. Er hatte ein Haus. Zehn Jahre zuvor hatte er Colin verspottet, weil er in Hampstead wohnte: Alle, die mit der Zeit gehen wollten, benutzten das Wort in abwertender Weise. Die Hampstead-Sozialisten, der Hampstead-Roman, Hampstead als Ort, das war immer gut, wenn man spotten wollte, aber sobald die Kritiker es sich leisten konnten, kauften sie Häuser in Hampstead. Genau wie Fred Cope. Er war jetzt Redakteur bei einer Tageszeitung, dem
Monitor
, und manchmal trafen sich die beiden auf einen Drink.
Hat es je eine Generation gegeben, die nicht staunend zusehen musste – obwohl es doch eigentlich zu erwarten ist? –, wie die Handlanger und Delinquenten und Rebellen ihrer Jugend zum Sprachrohr gemäßigter Anschauungen werden? Colin telefonierte mit Fred Cope und rief sich ins Gedächtnis, dass es denen, die im Besitz einer gemäßigten Weltanschauung sind, oft schwer fällt, sich an die Torheiten der Vergangenheit zu erinnern. Die beiden trafen sich an einem Sonntag in einem Pub, und Colin kam gleich zur Sache. »Ich habe eine Schwester – na ja, eine Art Schwester, die in Simlia arbeitet, und sie hat mich besucht und mir erzählt, dass wir über den lieben Genossen Präsident Matthew alle Unsinn reden: In Wirklichkeit ist er ein ziemlicher Gauner.«
»Das sind sie doch alle«, murmelte Fred Cope, der vorübergehend in seine frühere Rolle des erfahrenen Skeptikers gegenüber jeder Form von Autorität geschlüpft war. Dann fügte er hinzu: »Der gehört doch zu den Guten, dachte ich?«
»Jetzt bin ich in der Bredouille«, sagte Colin. »Was du hörst, ist Colins Stimme, aber es sind Sylvias Worte. Sie hat mich besucht. Sie war fertig mit den Nerven. Ich glaube, es lohnt sich … eine zweite Meinung einzuholen.«
Der Redakteur lächelte. »Das Problem ist: Man kann sie nicht einfach nach unseren Standards beurteilen. Sie haben gewaltige Schwierigkeiten. Und es ist eine völlig andere Kultur.«
»Warum kann man das nicht? Das ist wirklich herablassend. Und wir haben doch die Schnauze voll davon, die anderen nicht nach unseren Standards zu beurteilen?«
»Jaaaaaa«, sagte der Redakteur. »Ich verstehe, was du meinst. Ich werd mir die Sache mal ansehen.«
Als sie das hinter sich hatten, was beiden peinlich war, versuchten sie, zur glorreichen Verantwortungslosigkeit der früheren Zeiten zurückzukehren, als Colin Ansichten gehabt hatte, denen er außerhalb seines sicheren Zuhauses kaum Ausdruck verliehen hätte, und Freds Leben als junger Mann kam ihm jetzt vor wie ein ausgedehntes Fest der Freiheit und Anarchie. Aber es gelang ihnen nicht. Freds Frau erwartete ein zweites Baby. Colin dachte wie üblich nur an den Roman, den er gerade schrieb. Er wusste, dass er wahrscheinlich mehr für Sylvia hätte tun sollen, aber war es nicht schon immer die beste aller Entschuldigungen gewesen, mitten in einem Roman zu stecken? Außerdem hatte er ihr gegenüber immer Schuldgefühle und wusste nicht, warum. Er hatte vergessen, wie sehr es ihn gestört hatte, dass sie in Julias Haus gekommen war, und wie er mit seiner Mutter gehadert hatte. Jetzt blickte er mit Stolz auf diese Zeit zurück: Sie beide, er und Sophie, und alle anderen, die damals ein und aus gegangen waren, sprachen zärtlich davon, wie viel Spaß sie gehabt hatten. Aber er wusste genau, dass er seinen Bruder immer um seinen ungezwungenen Umgang mit Sylvia beneidet hatte. Jetzt ärgerte er sich über ihre Religion und über das, was er für ein neurotisches Bedürfnis nach Selbstaufopferung hielt. Und dann
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