Ein süßer Traum (German Edition)
Spender gerichtet. Sylvia wusste, dass man im Dorf »Sterbehütten« dazu sagte, und sie hatte vor, noch eine zu bauen, für Patienten, die »nur« Malaria hatten oder in den Wehen lagen – gewöhnlichere fleischliche Schmerzen. Sie hatte ein richtiges kleines Haus aus Ziegeln bauen lassen und nannte es »das Sprechzimmer«, und darin stand ein hohes Bett; Jungen aus dem Dorf hatten es gefertigt, indem sie Lederriemen über einen Rahmen spannten, und darauf lag eine gute Matratze. Hier untersuchte sie die Leute, verordnete Medikamente, renkte Arme und Beine ein, verband Wunden. Bei alldem assistierten ihr Clever und Zebedee. Sie hatte die neuen Gebäude bezahlt, die Medikamente – alles hatte sie bezahlt. Sie wusste, dass im Dorf manche sagten: Warum denn nicht? Schließlich hat sie uns zuerst bestohlen. Es war Joshua, der für dieses Gemurre sorgte. Rebecca verteidigte Sylvia und sagte allen, dass es ohne sie kein Krankenhaus geben würde.
An dem Abend, als Sylvia aus London zurückgekommen war und an derselben Stelle stand und auf ihr Krankenhaus hinabschaute, hatte sie jene Schwäche von Herz und Entschlossenheit ereilt, die oft Menschen befällt, die gerade in Europa waren. Was sie da unten sah, diese Ansammlung ärmlicher Hütten oder Schuppen, war nur zu ertragen, wenn sie nicht an London dachte oder an Julias Haus, an seine Solidität, seine Sicherheit, seine Dauerhaftigkeit, an die Zimmer, in denen jedes der vielen Dinge einem bestimmten Zweck diente, einem Bedürfnis unter vielen Bedürfnissen. Jeden Tag wurden die Menschen dort von so vielen stummen Dienern unterstützt, von Utensilien, Werkzeugen, Geräten, Vorrichtungen, Oberflächen, auf denen man sitzen oder auf die man etwas legen konnte – eine komplizierte Umgebung voller Dinge, die immer zahlreicher wurden.
Wenn Joshua am frühen Morgen erwachte, rollte er von der Feuerstelle in der Mitte der Hütte zur Seite, griff nach dem Topf, in dem das Porridge vom letzten Abend eingetrocknet war, kratzte mit einem Rührstock ein paar Klumpen heraus und aß sie rasch, damit sein Bauch hatte, was er brauchte, trank Wasser aus einer Blechkanne, die auf dem Sims stand, das rund um die Hütte verlief, ging dann ein paar Schritte in den Busch, urinierte, hockte sich vielleicht hin, um sein Geschäft zu verrichten, nahm seinen Stock, der aus Buschholz gemacht war, und ging zwei Kilometer zum Krankenhaus. Dort ließ er sich mit dem Rücken an dem Baum hinuntergleiten, um dort den ganzen Tag sitzen zu bleiben.
Als »Religiöse«, wie Rebecca sie nannte – »Ich habe denen im Dorf gesagt, dass Sie eine Religiöse sind« –, sollte sie diesen Beweis für die Armut an Gütern und wahrscheinlich für die Armut im Geiste wohl eigentlich bewundern, aber sie glaubte nicht, das beurteilen zu können. Jene riesige Stadt, die so viele Quadratkilometer bedeckte und so reich war, so
reich
– und hier diese Gruppe schäbiger Schuppen und Hütten: Afrika, das schöne Afrika, das ihre Lebensgeister mit seinen Bedürfnissen niederdrückte, das alles wollte, dem alles fehlte, wo doch überall Weiße und Schwarze hart arbeiteten, um – um was? Um ein kleines Pflaster auf eine alte, nässende Wunde zu legen. Und genau das tat sie.
Sylvia fühlte sich, als würde ihr eigenes echtes Ich, ihre Substanz, der Kern ihres Glaubens zerrinnen, während sie dort stand. Ein Sonnenuntergang, das Sinken der Sonne während der Regenzeit … Aus einer schwarzen Wolke, die tief am roten Horizont stand, schossen schwere, dicke Strahlen wie goldene Stacheln, die um den Kopf eines Heiligen leuchten. Sie fühlte sich verspottet, als würde ein geschickter Dieb sie bestehlen und dabei lachen. Was tat sie hier? Und wozu war sie wirklich gut? Und vor allem, wo war dieses unschuldige Vertrauen, das sie bei Kräften gehalten hatte, als sie gerade gekommen war? Woran glaubte sie wirklich? An Gott, ja, das konnte sie sagen, wenn niemand auf Definitionen bestand. Sie hatte eine Bekehrung zu
unserem Glauben
erlitten – wie Pater McGuire es nannte –, die in ihren Symptomen so klassisch gewesen war wie ein Malaria-Anfall, und sie wusste, dass es mit dem asketischen Pater Jack begonnen hatte, in den sie verliebt gewesen war, auch wenn sie damals gesagt hätte, dass es Gott war, den sie liebte. Nichts war übrig von dieser tapferen Gewissheit, und sie wusste nur, dass sie weiter ihre Pflicht tun musste, hier in diesem Krankenhaus, denn das Schicksal hatte sie hierher geführt.
Ihr
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