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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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alter Freund von Genosse Johnny, Bill Case, der in Südafrika Kommunist gewesen war, im Gefängnis gesessen hatte, geflohen war und in Simlia Schutz gesucht hatte, um hier seine Karriere als Jurist fortzusetzen und die Benachteiligten zu vertreten, die Armen, die Misshandelten, die, wie sich herausstellte, unter der schwarzen Regierung mehr oder weniger dieselben waren wie unter der weißen. Bill Case war berühmt und ein Held. Rose freute sich darauf, von ihm endlich »die Wahrheit« über Simlia zu hören.
    Was Barry anging, für den sie jederzeit die Beine breit gemacht hätte, so bekam sie in dieser Hinsicht nicht mehr aus ihm heraus als eine Bemerkung, als er sie in der Stadt absetzte: dass er sie zum Mittagessen einladen würde, wenn er kein verheirateter Mann wäre. Aber sie verstand das als charmante Geste, die so routiniert war wie sein: »Bis dann. Man sieht sich.«
    Bill Case … über die südafrikanischen Kommunisten unter der Apartheid muss man vor allem sagen, dass kaum jemand je so mutig gewesen ist, kaum jemand so uneingeschränkt gegen die Unterdrückung gekämpft hat – aber, halt: Zur selben Zeit stellten sich die Dissidenten in der Sowjetunion der kommunistischen Tyrannei mit gleicher Hingabe entgegen. Dass die Sowjetunion sich von dieser Seite zeigte, war ein Problem, und Rose ging damit um, indem sie nicht darüber nachdachte: Sie war ja schließlich nicht dafür verantwortlich? Und sie war noch nicht eine Stunde in Bill Cases Haus, als sie erfuhr, dass das auch seine Haltung war. Jahrelang hatte er behauptet, die Sowjetunion sei eine neue Kultur, welche die alten Ungleichheiten für immer abgeschafft habe, wobei das Rassenvorurteil im Augenblick das Gravierendste sei. Doch nun gab man sogar in der Provinz, wo Senga nun einmal lag, Hauptstadt hin oder her, zu, dass die Sowjetunion nicht so großartig war, wie man behauptet hatte. Die schwarze Regierung, die dem ruhmreichen Kommunismus ergeben war, gab das natürlich nicht zu. Aber Bill sprach nicht von diesem großen gescheiterten Traum, sondern von einem lokalen: Rose erfuhr bei ihm, was sie sich auch tagelang bei Barry Angleton angehört hatte. Zuerst dachte sie, dass Bill für sich und für sie parodierte, was sie gehört hatte, wie er sicher wusste, aber nein, seine Klagen waren so echt und so ausführlich und wütend wie die des Farmers. Die weißen Farmer würden schlecht behandelt, sie seien der Sündenbock für jedes Versagen der Regierung, und trotzdem müssten sie die fremde Währung heranschaffen, sie würden ungerecht besteuert, was für ein Jammer, dass dieses Land es zugelassen habe, den kleinen Arschkriecher und Lakai für Weltbank und IMF und Global Money abzugeben!
    Während dieser Tage begriff Rose schließlich etwas, das wehtat: Sie hatte mit Genosse Matthew auf das falsche Pferd gesetzt. Sie würde absteigen müssen, alles zurücknehmen, etwas tun, um ihren Ruf wiederherzustellen. Es war noch zu früh, einen Artikel zu schreiben, in dem der Genosse Präsident so beschrieben wurde, wie er es verdiente: Immerhin hatte sie erst vor drei Monaten ihre letzte Lobrede gehalten. Nein, sie würde das auf Eis legen, eine kleine Ablenkung erfinden, auf etwas anderes zielen.
    Nach ihrem Besuch bei Bill Case zog sie zu Frank Diddy, dem liebenswürdigen Herausgeber der
Simlia Post
, einem Freund von Bill. Die entspannte Gastfreundschaft in Afrika gefiel ihr: In London war es Winter, und hier kam sie unter, ohne etwas zu bezahlen. Sie wusste, dass jeder intelligente Mensch die
Post
verachtete – jedenfalls die meisten Einheimischen. Die Leitartikel klangen alle ungefähr so: »Unser großartiges Land hat ein weiteres geringfügiges Problem erfolgreich überwunden. Wegen der Anforderungen unserer rapide wachsenden Wirtschaft und, wie man festhalten muss, durch die Bemühungen südafrikanischer Geheimagenten war das Kraftwerk in der letzten Woche ausgefallen. Unseren Feinden gegenüber müssen wir immer wachsam bleiben. Wir dürfen nie vergessen, dass unser Simlia, unser erfolgreiches sozialistisches Land, im Brennpunkt von Destabilisierungsversuchen steht. Es lebe Simlia.«
    Sie stellte fest, dass Frank Diddy so etwas als Mittel betrachtete, um die Wachhunde der Regierung zu beschwichtigen, die ihn und seine Kollegen verdächtigten, über den Fortschritt des Landes »Lügen zu verbreiten«. Die Journalisten von der
Post
hatten es seit der Befreiung nicht leicht gehabt. Man hatte sie verhaftet, ohne Anklage festgehalten, wieder

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