Ein süßer Traum (German Edition)
eine Lüge.« Er wedelte mit der Hand, um die Lügen zu zerstreuen, und sank wieder zurück. Sie sagte nichts. Er spähte nach ihr, hob dazu den Kopf und ließ ihn wieder sinken. »Ich bin ein armer Mann«, jammerte er. »Ein sehr armer Mann. Und ich habe viele Kinder. Und all meine Verwandten … Dir ist doch klar – ich weiß, dir ist klar, dass in unserer Kultur alle Verwandten zu einem Mann kommen, dem es gut geht, und dann müssen wir sie unterhalten und allen Kindern eine Ausbildung bieten.«
»Und das ist eine sehr schöne Kultur«, sagte Rose, die dieses Konzept tatsächlich herzerwärmend fand. Man betrachte nur sie selbst! Als sie vor all den Jahren plötzlich hilflos gewesen war, wo war ihre Familie gewesen? Und dann hatte der reiche Sohn einer ausbeuterischen, kapitalistischen Familie sie ausgenutzt …
»Ja, wir sind stolz darauf. Unsere Alten sterben nicht allein in einem kalten Altenheim, und bei uns gibt es keine Waisen.«
Rose wusste, dass das nicht stimmte. Sie hatte von den Folgen von Aids gehört – Waisen, die mittellos zurückblieben, alte Großmütter, die elternlose Kinder aufzogen.
»Wir wollen, dass du über uns schreibst. Dass du die Wahrheit über uns sagst. Ich bitte dich zu beschreiben, was du hier in Simlia siehst, damit sich diese Lügen nicht weiter verbreiten.« Er sah sich in der eleganten Hotel-Lounge um, sah die lächelnden Kellner in ihrer Livree. »Du siehst es doch selbst, Rose. Schau dich um.«
»Ich habe in einer von unseren Zeitungen eine Liste gesehen. Eine Liste der Minister und der höchsten Beamten mit all euren Besitztümern. Manche haben sogar zwölf Farmen.«
»Und warum sollen wir keine Farm besitzen? Soll ich kein Land besitzen dürfen, weil ich Minister bin? Und wenn ich in den Ruhestand gehe, wovon soll ich leben? Ich kann dir sagen, ich wäre viel lieber ein einfacher Farmer und würde mit meiner Familie auf meinem eigenen Land leben.« Er runzelte die Stirn. »Und jetzt diese Dürre. Unten im Buvu Valley sind all meine Tiere gestorben. Die Farm besteht aus Staub. Mein neues Bohrloch ist ausgetrocknet.« Tränen rannen ihm über die Wangen. »Es ist schrecklich, wenn man alle
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sterben sieht. Die weißen Farmer leiden nicht, die haben alle Dämme und Bohrlöcher.«
Rose kam in den Sinn, dass dies vielleicht ein Thema war. Sie konnte über die Dürre schreiben, die offenbar jeden plagte, Regenschatten hin oder her, und das hieß, dass sie nicht Stellung beziehen musste. Sie wusste gar nichts über die Dürre, aber sie konnte Frank und Bill jederzeit bitten, sie aufzuklären, und sie konnte sich etwas einfallen lassen, das die Regierung von Simlia nicht verärgern würde: Sie wollte diese profitable Verbindung nicht beenden. Nein, stattdessen konnte sie eine Kämpferin für die Umwelt werden … Diese Gedanken gingen ihr durch den Kopf, während Franklin eine Rede über Simlias Stellung an vorderster Front des Fortschritts und der sozialistischen Leistung hielt, die mit den südafrikanischen Agenten und der Notwendigkeit endete, wachsam zu sein.
»Die südafrikanischen Spione?«
»Ja, Spione. Das ist das richtige Wort. Sie sind überall. Sie sind verantwortlich für die Lügen. Unsere Sicherheitsleute haben Beweise. Sie haben das Ziel, Simlia zu destabilisieren, damit Südafrika unser Land übernehmen und dem Reich des Bösen einverleiben kann. Hast du gewusst, wie sie Mosambik angreifen? Sie breiten sich schon überall aus.« Er spähte zu ihr hinüber, um zu sehen, wie seine Worte wirkten. »Schreibst du also ein paar Artikel für uns, in den englischen Zeitungen, und erklärst, was die Wahrheit ist?«
Er fing an, sich aus seinem Sessel zu kämpfen, und schnaufte ein bisschen. »Meine Frau sagt mir, dass ich Diät halten soll, aber das ist schwer, wenn man vor einem guten Essen sitzt – und leider müssen wir Minister zu so vielen Veranstaltungen gehen …«
Der Augenblick der Trennung. Rose zögerte. In einer Anwandlung nostalgischer Wärme für den Jungen Franklin, für den sie immerhin Kleider gestohlen hatte – nein, mehr, sie hatte ihm beigebracht, für sich selbst zu stehlen –, wollte sie ihn in die Arme schließen. Und wenn er sie umarmte, würde das viel bedeuten. Aber er streckte die Hand aus, und sie nahm sie. »Nein, so macht man das nicht, Rose. Du musst unseren afrikanischen Händedruck benutzen, so, und so …«, und es war wirklich sehr anregend, dieses Händeschütteln, das zeigte, wie schwer es war, einen Freund
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