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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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zu träumen wie ein verliebtes Mädchen.
    Er rief am nächsten Nachmittag an und lud sie ein, mit ihm über das Wochenende in eine bestimmte kleine Stadt in Warwickshire zu fahren, und sie sagte so leicht zu, als täte sie das oft. Und wieder musste sie sich fragen, was dieser Mann an sich hatte, dass er so leicht den Schlüssel in einer Tür umdrehen konnte, die sie so lange verschlossen gehalten hatte. Sie hatte ihn als soliden, lächelnden, dunkelblonden Mann in Erinnerung, dessen Art es war, eine Sache kühl, aber humorvoll abzuwägen. Er hatte irgendeine Funktion in einer Bildungsorganisation, zumindest damals. Ein Gewerkschaftsfunktionär?
    Frances ging davon aus, dass das übliche Sortiment an »Kindern« zum Wochenende kommen würde. Sie stieg die Treppen zu Julia hinauf und sagte, dass sie sich gerne das Wochenende freinehmen würde. So drückte sie es aus.
    Julia schien ein wenig zu lächeln. War das ein Lächeln? Unfreundlich war es nicht … »Arme Frances«, sagte sie zur Überraschung ihrer Schwiegertochter. »Du führst ein ödes Leben.«
    »Tatsächlich?«
    »Ich denke schon. Und die jungen Leute können sich ausnahmsweise um sich selbst kümmern.«

Als Frances hinausging, hörte sie leise: »Komm zurück zu uns, Frances.« Das überraschte sie so sehr, dass sie sich umdrehte, aber Julia hatte sich schon wieder ihrem Buch zugewandt.
    Komm zurück zu uns … ach, das war scharfsinnig von ihr, unbequemerweise. Tatsächlich hatte die Rebellion gegen ihr Leben sie gepackt, gegen diese erbarmungslose Schinderei. Sie war in eine Landschaft fiebriger Träume geraten, und sie drohte, sich dort zu verlieren und nie in Julias Haus zurückzukehren.
    Aber es gab noch ihre Söhne, und das war kein Kinderspiel. Als sie hörten, dass ihre Mutter am nächsten Wochenende nicht da sein würde, taten beide, als hätte sie gesagt, sie werde eine sechsmonatige Spritztour machen.
    Colin, den sie in der Schule anrief, sagte am Telefon: »Wo fährst du hin? Mit wem fährst du?«
    »Mit einem Freund«, sagte Frances, und es folgte misstrauisches Schweigen.
    Was Andrew betraf, so bedachte er sie mit einem düsteren Blick, in dem eine tiefe Angst lag, aber das wusste er natürlich nicht.
    Sie war das einzig Stabile im Leben der beiden, schon immer gewesen, und es hatte keinen Sinn, zu sagen, dass sie alt genug waren, um ihr etwas Freiheit zu lassen. Wer konnte entscheiden, in welchem Alter Kinder, deren Basis unsicher war, kein Elternteil mehr brauchten, das immer da war? Jetzt fuhr ihre Mutter mit einem Mann ins Wochenende, und sie wussten das. Noch nie war dergleichen vorgekommen … Immer hatte sie sich ihren Söhnen gewidmet, ihren Bedürfnissen, als ob sie Johnnys Versäumnisse gutmachen wollte. »Als ob?« Sie
hatte
versucht, Johnnys Versäumnisse gutzumachen.
     
    Am Samstag schlich Frances aus dem Haus und wusste, dass Andrew auf der Lauer lag, denn er schlief unruhig. Auch Colin hatte vielleicht beschlossen, früher aufzuwachen als, wie üblich, am späten Vormittag. Sie schaute kurz an der Fassade des Hauses hoch und fürchtete, Andrews Gesicht zu sehen, Colins – aber kein Gesicht zeigte sich am Fenster. Es war sieben Uhr morgens an einem wunderbaren Sommertag, und ihre Stimmung drohte sie trotz ihrer Schuldgefühle in ein Empyreum der Verantwortungslosigkeit zu katapultieren. Und da war er, ihr Galan, ihre Verabredung, lächelte und freute sich offensichtlich über das, was er sah, die blonde Frau (sie hatte sich die Haare machen lassen) in ihrem grünen Leinenkleid, die neben ihm Platz nahm und sich ihm zuwandte, um mit ihm über dieses Abenteuer zu lachen.
    Sie hatten eine angenehme Fahrt durch die Vorstädte von London und fuhren bereits durch das grüne Land. Es gefiel ihr, dass sie ihm gefiel und dass sie Vergnügen hatte an diesem gut aussehenden rotblonden Mann. Währenddessen kämpfte sie gegen die Gedanken an die hilflosen, unglücklichen Gesichter ihrer Söhne an.
    Liebe Tante Vera, ich bin geschieden und ziehe zwei Jungen auf. Ich bin in Versuchung, eine Affäre zu haben, aber ich habe Angst, dass meine Söhne dann böse sind. Sie beobachten mich wie die Adler. Was soll ich machen? Ich hätte gerne ein bisschen Spaß. Habe ich denn keine Rechte?
    Wenn sie, Frances, jetzt an der Reihe war mit
ein bisschen Spaß
, dann nur zu. Und sie schloss ihre Söhne aus ihren Gedanken aus. Entweder so oder zu diesem Mann sagen: Lass uns umkehren, ich habe einen Fehler gemacht.
    Sie hielten in der Nähe von

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