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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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Maidenhead an einem Fluss und frühstückten, später rasteten sie in einer Stadt mit einladenden Parks; sie fuhren weiter, ließen sich von einem schönen Pub verlocken und aßen in einem weiteren Park zu Mittag, während die Spatzen im Staub herumhüpften.
    Einmal sagte er: »Fällt es dir sehr schwer, die Zweifel auszuschalten?«
    »Ja.« Mehr nicht, um nicht zu sagen: Weißt du, es sind die Jungen.
    »Das dachte ich mir. Was mich angeht, mir fällt es gar nicht schwer.« In seinem Lachen lag so viel Triumph, dass sie ihn prüfend ansah. Die ganze Sache hatte etwas, das sie nicht verstand – aber das machte nichts. Sie war leichtsinnigerweise glücklich. Wie öde ihr Leben war: Julia hatte wirklich recht. Sie nahmen Nebenstraßen und mieden die Autobahn, verfuhren sich, und immer versprachen ihre Blicke und ihr Lächeln: Heute Nacht werden wir einander in den Armen halten. Der Tag blieb warm mit einem seidigen, goldenen Dunst, und am späten Nachmittag saßen sie wieder in einem Park, an einem Fluss, und wurden von Amseln beobachtet, von einer Drossel und einem großen, freundlichen Hund, der sich neben sie setzte, bis er von beiden sein Kuchenstückchen ergattert hatte. Dann spazierte er davon, und sein Schwanz schwang langsam hin und her.
    »Ein dicker Hund«, sagte Harold Holman, »und genau das bin ich auch nach diesem Wochenende.« Satt, ja, so sah er aus, aber da war noch etwas anderes, seine Freude an ihr, an der Situation, und ohne es geplant zu haben, sagte sie: »Weshalb bist du denn so zufrieden mit dir selbst?« Er verstand sofort, und die Aggressivität, die darin lag und die ihr leidtat, weil sie der strahlenden Zufriedenheit widersprach, die sie empfand, löste sich auf, als er sagte: »Ach ja, du hast ja recht, du hast recht.« Lachend warf er ihr einen Blick zu, und sie dachte, dass er aussah wie ein fauler Löwe, der die Pranken vor sich übereinandergeschlagen hat und den gebieterischen Kopf hebt, um langsam und träge zu gähnen. »Ich erzähle es dir, ich erzähle dir alles. Aber zuerst will ich zu einer bestimmten Stelle fahren, solange das Licht noch so ist.« Und sie fuhren weiter, nach Warwickshire. Er parkte vor ihrem Hotel und lief um das Auto herum, um ihr die Tür zu öffnen. »Komm und schau dir das an.« Auf der anderen Straßenseite waren Bäume, Grabsteine, Gebüsch, eine alte Eibe. »Ich habe mich schon darauf gefreut, dir das zu zeigen – nein, du irrst dich, ich bin noch nie mit einer Frau hier gewesen, aber vor ein paar Monaten hatte ich in dieser Stadt zu tun, und ich dachte, hier ist es zauberhaft. Aber ich war allein.«
    Sie überquerten Hand in Hand die Straße und blieben auf dem alten Friedhof stehen, auf dem die Eibe fast so groß wirkte wie die kleine Kirche. Eine sommerliche Dämmerung brach an, und der Mond stieg hell auf an einem dunkler werdenden Himmel. Windschiefe, bleiche Grabsteine schienen zu ihnen sprechen zu wollen. Die warme Sommerluft, ein Hauch von kühlem Nebel streifte ihre Gesichter, und sie standen umschlungen da und küssten sich und hielten einander lange fest und lauschten den Botschaften ihrer Körper. Und dann empfanden sie den Druck von Gefühlen, die man nicht teilen kann, und traten einen Schritt voneinander weg, aber sie hielten sich noch an den Händen, und er sagte: »Ja«, mit einem stillen Bedauern, das er nicht erklären musste. Sie dachte: »Ich hätte so jemanden heiraten können statt …« Julia hatte ihn Schwachkopf genannt. Johnny hatte Julia nach dieser kleinen Versammlung, »in der jeder die Wahrheit hören konnte«, nicht angerufen, also hatte Julia ihn angerufen, denn sie wollte wissen, was er dachte, oder vielmehr, was er zu sagen hatte. »Nun?«, hatte sie gefragt. »Das war doch sicher überlegenswert … was dieser Israeli gesagt hat?« »Du musst lernen, eine Langzeitperspektive einzunehmen, Mutti.«
»Schwachkopf.«
    Dunkelheit senkte sich auf den Friedhof, während der Himmel heller wurde, und die Grabsteine leuchteten gespenstisch. Sie lehnten sich an die Eibe in der Finsternis, die darunter war und schauten zu, wie das Mondlicht stärker wurde. Dann gingen sie zwischen den Gräbern umher, die alle alt waren, niemand hier war jünger als das Jahrhundert. Bald waren sie in ihrem Zimmer in dem altmodischen Hotel, wo sie sich als Harold Holman und Frances Holman eingetragen hatten.
    Ihr kam tatsächlich der Gedanke: Ach, warum nicht, ich könnte diesen Mann heiraten, wir könnten glücklich sein, schließlich heiraten

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