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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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alle so viel, sie haben mehr, als andere Generationen je hatten, und trotzdem sind sie alle …«
    »Sie sind verkorkst«, sagte Julia und erhob sich, um zu gehen. Dann blieb sie vor Frances stehen, mit einer Geste, als würde sie etwas Unsichtbares auswringen wie einen Lappen – eine Person? »Das ist ein guter Ausdruck:
verkorkst
. Ich weiß, warum sie so sind. Colin ist gestört, hast du gesagt? Das sind alles Kriegskinder, deswegen. Zwei schreckliche Kriege, und dies ist das Ergebnis. Das sind die Kinder des Krieges. Glaubst du, es kann solche Kriege geben, so absolut schreckliche Kriege, und dann sagt man: Gut, es ist vorbei, jetzt machen wir ganz normal weiter. Nichts ist mehr normal. Die Kinder sind nicht normal. Und du …« Hier brach sie ab, und Frances sollte nicht hören, was Julia über sie dachte. »Und jetzt Sylvia, mit diesen Spiritisten, wie sie sich nennen, hast du gewusst, dass sie das Licht ausmachen und Händchen haltend dasitzen und dass irgendeine idiotische Frau so tut, als würde sie mit einem Geist reden?«
    »Ja, das weiß ich.«
    »Und trotzdem sitzt du hier, du hörst tatenlos zu, statt sie zurückzuhalten.«
    Als die alte Frau hinausging, sagte Frances: »Wir können sie nicht zurückhalten, Julia.«
    »Ich werde Sylvia zurückhalten. Ich werde ihr sagen, dass sie nach Hause zu ihrer Mutter gehen kann, wenn sie sich mit diesen Leuten herumtreiben will.«
    Die Tür schloss sich hinter ihr, und Frances sagte laut in das leere Zimmer hinein: »Nein, Julia, das tust du nicht, du murmelst nur in dich hinein wie eine alte Hexe, um Dampf abzulassen.«
    Am selben Abend, als Julias »Das hier war einmal ein ehrenwertes Haus« noch in Frances’ Ohren nachklang, klingelte es spät an der Tür, und Frances ging nach unten. Vor der Tür standen zwei ungefähr fünfzehnjährige Mädchen, und ihr feindseliger, aber fordernder Ausdruck warnte Frances vor dem, was sie gleich hören sollte, und zwar: »Lass uns rein. Rose erwartet uns.«
    »Ich habe euch nicht erwartet. Wer seid ihr?«
    »Rose hat gesagt, wir können hier wohnen«, sagte die eine und wollte sich an Frances vorbei ins Haus drängen.
    »Rose hat nicht zu bestimmen, wer hier wohnen kann und wer nicht.« Frances war ziemlich erstaunt über sich selbst, weil sie nicht von der Stelle wich. Als die Mädchen dann zögernd stehen blieben, sagte sie: »Wenn ihr Rose besuchen wollt, dann kommt morgen zu einer vernünftigen Zeit. Ich denke, sie schläft schon.«
    »Nein, tut sie nicht.« Frances schaute zum Fenster der Souterrainwohnung hinunter und sah Rose, die heftig gestikulierte. Sie hörte: »Ich habe euch doch gesagt, das ist eine alte Kuh.«
    Die Mädchen zogen wieder los und bedeuteten Rose mit Gesten:
»Was kann man schon erwarten?«
Eine sagte laut über die Schulter: »Wenn wir die Revolution gewonnen haben, wirst du dich ganz schön umschauen.«
    Frances ging direkt hinunter zu Rose, die schon auf sie wartete und vor Wut zitterte. Ihr langes schwarzes Haar, das nicht mehr von einem Evansky-Haarschnitt gebändigt wurde, schien sich zu sträuben, ihr Gesicht war rot, und sie war offenbar wirklich kurz davor, Frances tätlich anzugreifen.
    »Was zum Teufel soll das, dass du Leuten erzählst, sie können hier wohnen?«
    »Das ist meine Wohnung, oder? In meiner eigenen Wohnung kann ich machen, was ich will.«
    »Das ist nicht deine Wohnung. Wir erlauben dir, hierzubleiben, bis du mit der Schule fertig bist. Und wenn jemand kommt, dem ich erlaube, hier zu wohnen, benutzt er oder sie das zweite Zimmer.«
    »Ich werde das Zimmer vermieten«, sagte Rose.
    Frances war so entsetzt, dass sie schwieg, weil das, was vorging, so unglaublich war – eine einigermaßen vertraute Situation bei Rose. Dann sah sie, dass Rose dastand und triumphierte, weil sie ihr nicht widersprochen hatte, und sie sagte: »Du bezahlst nichts dafür, dass du hier wohnst. Du wohnst hier absolut umsonst, wie kommst du also auch nur für einen Moment auf die Idee, dass du ein Zimmer vermieten kannst?«
    »Ich muss!«, schrie Rose. »Von dem, was meine Eltern mir geben, kann ich nicht leben. Das ist ein Witz. Sie sind so gemein.«
    »Warum brauchst du mehr Geld, wo du nicht einmal Miete bezahlst und mit uns isst und deine Eltern für dein Schulgeld aufkommen?«
    Rose hatte einen Wutanfall, sie hatte die Kontrolle über sich verloren. »Ihr seid Arschlöcher, ihr alle, weiter seid ihr nichts. Und meine Freundinnen sind euch egal. Sie können nirgendwohin. Gestern Nacht

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