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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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Colin einverstanden war. Er hatte gesagt: »Ja, ich weiß, Sam hat es mir erzählt.« Der Rektor. »Ich habe ihm zu verstehen gegeben, dass eigentlich mein Vater analysiert werden müsste.« »Das möchte ich erleben«, hatte Frances gesagt. »Ja, und warum du nicht? Du kannst es bestimmt gebrauchen, mal richtig zu reden.« »
Mit
jemandem zu reden.« »Ich finde nicht, dass ich verrückter bin als die anderen.« »Das meine ich auch.«
    Jetzt stand Julia auf und sagte: »Ich denke, es gibt einiges, über das wir wohl verschiedener Meinung sind. Aber deswegen bin ich nicht gekommen. Ich kann auch ohne die dumme Analyse nicht mehr für Colins Schulgeld aufkommen. Ich dachte, er geht jetzt von der Schule ab, und dann höre ich, er macht noch ein Jahr.«
    »Er war bereit, es mit der Prüfung noch einmal zu versuchen.«
    »Aber ich kann nicht für ihn und Andrew bezahlen, und für Sylvia auch noch. Ich werde den beiden helfen, solange sie zur Universität gehen, bis sie unabhängig sind. Aber Colin – das kann ich nicht. Aber du verdienst jetzt Geld, und ich hoffe, es ist genug.«
    »Keine Sorge, Julia. Es tut mir leid, dass du mit allem belastet wirst.«
    »Wahrscheinlich hat es keinen Sinn, Johnny zu fragen. Obwohl er Geld haben muss, schließlich ist er immer auf Reisen.«
    »Dafür wird er bezahlt.«
    »Wie das? Warum bezahlen sie ihn?«
    »Ach, weißt du: Genosse Johnny, er ist ein ziemlicher Star, Julia.«
    »Er ist ein Dummkopf«, sagte Johnnys Mutter. »Wie kommt das? Ich glaube nicht, dass ich ein Dummkopf bin. Und sein Vater war ganz sicher kein Dummkopf. Aber Johnny ist ein Idiot.« Julia blieb an der Tür stehen und warf einen fachmännischen Blick auf das Zimmer, das einmal ihr eigenes, privates kleines Wohnzimmer gewesen war. Sie wusste, dass die Möbel Frances gleichgültig waren – diese guten Möbel; und die Vorhänge auch, die noch fünfzig Jahre halten würden, wenn man sich richtig um sie kümmerte. Julia nahm an, dass in den Vorhängen Staub und wahrscheinlich Motten hingen. Der alte Teppich, der aus dem Haus in Deutschland stammte, war an manchen Stellen fadenscheinig.
    »Und du wirst Johnny wahrscheinlich verteidigen, wie immer.«
    »Ich verteidige ihn? Habe ich
jemals
seine Politik verteidigt?«
    »Seine Politik! Das ist doch keine Politik, das ist – Dummheit.«
    »Das ist die Politik der halben Welt, Julia.«
    »Es ist trotzdem Dummheit. Frances, ich lade dir ungern noch mehr Sorgen auf, wo du dich schon um so viel kümmern musst, aber ich kann es nicht ändern. Wenn du wirklich nicht für Colin bezahlen kannst, könnten wir eine Hypothek auf das Haus aufnehmen.«
    »
Nein
, nein, nein … auf
keinen
Fall.«
    »Dann sag mir, wenn es Schwierigkeiten gibt.«
    Es würde Schwierigkeiten geben. Colins Schule war sehr teuer, und er hatte sich bereit erklärt, das ganze Jahr zu bleiben. Er war zu alt, fast neunzehn, und das war peinlich. Die Rechnung der Maystock Clinic, für das »Reden«, würde in die Tausende gehen. Sie musste sich noch mehr Arbeit suchen. Sie musste um eine Gehaltserhöhung bitten. Da sie wusste, dass ihre Artikel die Auflage des
Defender
erhöht hatten, konnte sie auch für andere Zeitungen schreiben, aber unter anderem Namen. Über diese Probleme hatte sie im Cosmo mit Rupert Boland gesprochen. Auch er hatte finanzielle Probleme, die er nicht näher erläuterte. Er wäre gern vom
Defender
weggegangen, der, wie er behauptete, nicht der richtige Ort für einen Mann war, aber er wurde gut bezahlt. Außerdem verdiente er etwas hinzu, indem er für Fernsehen und Radio recherchierte: Das konnte sie auch tun. Aber auch das würde nicht reichen, sie würde eine ganze Menge brauchen. Johnny – vielleicht konnte sie ihn noch einmal fragen? Julia hatte recht: Er führte das Leben eines Radschas – in der heutigen Entsprechung –, ständig war er unterwegs mit irgendwelchen Delegationen und machte Goodwill-Reisen, wohnte in den besten Hotels, bekam alles bezahlt und brachte die Grüße der Genossen von einem Teil der Welt zum anderen. Von irgendwoher musste er Geld bekommen: Wer bezahlte seine Miete? Er arbeitete eigentlich nie.
    In diesem Herbst trat eine bizarre Situation ein. Colin kam zweimal in der Woche mit dem Zug aus dem St. Joseph’s und ging in die Maystock Clinic, wo er mit einem Dr. David verabredet war. Mit einem Mann: Frances frohlockte. Colin hatte jetzt einen Mann zum Reden, einen Mann außerhalb seiner familiären Situation. (»Wenn es das ist, was er

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