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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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Söhne«, sagte Johnny, und Andrew nahm sein Weinglas und leerte es, während Colin sagte: »Es ist uns eine Ehre.«
    Die drei schwarzen Männer fühlten sich offenbar unbehaglich, aber dann lachte Genosse Mo, der ungefähr zehn Jahre durch die weite Welt gefahren war, herzlich und sagte: »Meine Frau macht mir auch Vorwürfe. Sie versteht nicht, dass der
Kampf
vor den Familienpflichten kommen muss.«
    »Sieht sie dich eigentlich manchmal?«, fragte Frances.
    »Und freut sie sich, wenn sie dich sieht?«, fragte Colin.
    Genosse Mo blickte Colin eindringlich an, aber er sah nur ein lächelndes Gesicht. »Das Problem sind meine Kinder.« Er schüttelte den Kopf. »Das ist so schwer für mich – wenn ich sie wiedersehe, erkenne ich sie manchmal kaum.«
    Währenddessen kochte Sylvia Kaffee und stellte Kuchen und Kekse auf den Tisch. Es war klar, dass die Gäste mehr erwartet hatten. Wie schon so oft holte Frances die Reste des Abendessens und was noch im Kühlschrank war, und stellte alles auf den Tisch.
    »Ach, setz dich doch«, sagte sie zu Johnny, und er setzte sich mit Würde und bediente sich.
    »Du hast nicht nach Phyllida gefragt.« Sylvia sah ihn von der Seite an. »Du hast nicht gefragt, wie es meiner Mutter geht.«
    »Ja«, sagte Frances. »Das hat mich auch gewundert.«
    »Dazu komme ich gleich«, sagte Johnny.
    »Als Johnny sagte, dass er euch heute Abend besuchen will, musste ich euch alle wiedersehen. Ich werde nie vergessen, wie gut ihr zu mir wart.« Franklin strahlte über das ganze Gesicht.
    »Bist du zu Hause gewesen?«, fragte Frances. »Jedenfalls bist du nicht zur Universität gegangen.«
    »Zur Universität des Lebens«, sagte Franklin.
    Johnny sagte: »Frances, man fragt die schwarze Führung nicht danach, was sie tut, nicht jetzt. Das musst doch sogar du verstehen.«
    »Nein«, sagte Genosse Matthew. »Das ist jetzt nicht die Zeit, danach zu fragen. Wir dürfen nicht vergessen, dass ich in einer Stunde auf einer Versammlung sprechen soll.«
    Daraufhin schlangen die Genossen Johnny, Franklin und Mo ihr Essen hinunter, so schnell sie konnten. Genosse Matthew hatte ohnehin schon genug: Er war ein genügsamer Esser, einer von denen, die essen, weil man essen muss.
    Johnny sagte: »Bevor wir gehen – ich habe Nachricht von Geoffrey. Er war mit mir auf den Barrikaden in Paris. Er lässt grüßen.«
    »Du lieber Gott«, sagte Colin, »unser kleiner Geoffrey mit seinem netten, sauberen Gesicht auf den Barrikaden.«
    »Er ist ein ernsthafter Genosse, der sich sehr bezahlt macht«, sagte Johnny. »Er hat immer ein Eckchen bei mir.«
    »Das klingt nach einem alten russischen Roman«, sagte Andrew. »Ein Eckchen, was heißt das auf Englisch?«
    »Er und Daniel hauen sich oft für eine Nacht oder zwei bei mir hin. Ich habe stets ein paar Schlafsäcke für sie. Aber bevor wir gehen, muss ich fragen, ob ihr wisst, was Phyllida anstellt.«
    »Was stellt sie denn an?«, fragte Sylvia und zeigte ihre Abneigung so deutlich, dass alle die andere Sylvia sahen. Ein Schock. Sie waren schockiert. Franklin lachte nervös. Johnny zwang sich, ihrem Blick standzuhalten: »Deine Mutter ist Wahrsagerin. Sie wirbt in Zeitschriftenläden am Schwarzen Brett dafür, unter dieser Adresse.«
    Andrew lachte. Colin lachte. Und dann Frances.
    »Was ist daran komisch?«, fragte Sylvia.
    Genosse Mo fand, dass dieser
Zusammenprall der Kulturen
außer Kontrolle geriet. »Ich gehe demnächst mal hin, dann kann sie mir wahrsagen.«
    Franklin sagte: »Wenn sie diese Gabe hat, dann haben die Ahnen sie gern. Meine Großmutter war eine weise Frau. Ihr nennt so jemanden Hexendoktor. Sie war eine
n’ganga

    »Eine Schamanin«, belehrte Johnny sie alle.
    »Ich bin derselben Meinung wie Genosse Johnny. Dieser Aberglaube ist reaktionär und muss verboten werden.« Genosse Matthew stand auf, um zu gehen.
    »Du kannst dir doch denken, dass ich mich freue, wenn sie ein bisschen Geld verdient«, sagte Frances zu Johnny, der auch aufstand.
    »Kommt, Genossen, es ist Zeit, dass wir gehen.« Johnny zögerte noch etwas, und um die Kontrolle über die Situation zurückzugewinnen, sagte er: »Richte Julia aus, sie soll mit Phyllida reden, dass sie das nicht machen kann.«
    Frances merkte, dass Johnny ihr leidtat. Er sah so viel älter aus – sie waren beide fast fünfzig. Die Mao-Jacke schien ihm zu weit zu sein. Weil er so niedergeschlagen wirkte, spürte sie, dass es in Paris nicht gut für ihn lief. Er ist zu alt dafür, dachte sie. Und ich bin es

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