Ein süßes Abenteuer
von Glück sagen, dass ich noch lebe. Wenn irgendwelche Dummköpfe dich aufgezogen haben, tut es mir leid. Gerechterweise muss ich jedoch sagen, dass Lady Leominster mich vor ihren Gästen freundlich behandelt hat. Sie wollte dich nicht verletzen, sondern dir Rückhalt geben.”
Endlich beruhigte sie sich ein wenig.
“Glaub mir, ich habe nichts getan, dessen ich mich schämen müsste”, fuhr er fort. “Aber leider kann ich die wahre Geschichte niemandem erzählen, nicht einmal dir. Eines Tages werde ich dir vielleicht alles erklären. Mehr kann ich im Augenblick nicht versprechen.”
“Und die Duchess? Hast du dich in sie verliebt?”
“Nein. Ich bewundere sie und schätze sie als eine Freundin, mehr nicht.”
Lady Fortescue tupfte sich mit ihrem ohnehin schon durchnässten Taschentuch die Augen ab. “Sagst du auch die Wahrheit?”
In Wahrheit empfand er weit mehr als Freundschaft für Diana. Seit einiger Zeit hegte er sogar die Hoffnung, dass ihre Beziehung sich vertiefen könnte, aber das wagte er seiner Mutter noch nicht zu sagen.
“So aufrichtig, wie man überhaupt die Wahrheit sagen kann, ja”, antwortete er schließlich.
“Das bedeutet alles und nichts”, seufzte sie.
Eigentlich hätte er wissen müssen, dass sie sich nicht für dumm verkaufen lassen würde. “Darf ich dir einen Rat geben, Mutter?”, meinte er, indem er ihre Hand küsste. “Fahr zu Tante Susan zurück und achte nicht mehr auf den Klatsch, der über mich verbreitet wird. Selbst wenn ich mich so abscheulich betragen hätte, wie du glaubst, wäre das noch kein Weltuntergang. Wieso verbringst du nicht den Rest des Sommers auf dem Land, wo es dir so gut gefällt? Am Ende der Parlamentssaison könnte ich dich und Tante Susan besuchen.”
Sie drückte seine Hand. “Bitte versteh doch, wie sehr mich diese Angelegenheit schockiert. Bisher hast du mir niemals Kummer bereitet.”
Natürlich konnte Neville schlecht sagen: Da liegt der Hund begraben, vielleicht hätte ich das tun sollen. Jeder junge Mann muss sich irgendwann die Hörner abstoßen, und das habe ich nie getan. Ich war immer zu brav, zu sanftmütig. Damit meine ich nicht, dass ich meinem Vater hätte nacheifern sollen. Aber es wird höchste Zeit, dass ich mir eine gewisse Härte aneigne.
Ehe er eine passende Antwort fand, lächelte sie und gab ihm einen Kuss auf die Wange. “Wahrscheinlich sollte ich deinem Rat folgen und nach Kent zurückkehren. In London herrscht zu dieser Jahreszeit ein entsetzlicher Gestank. Ich kann mich doch auf dich verlassen, oder? Bitte halte dich in Zukunft vom Alkohol fern.”
“Keine Sorge”, beruhigte er sie. “Ich werde uns jetzt Tee bringen lassen. Das wird uns beiden guttun.”
Im Stillen verfluchte Neville die beiden Schurken, die ihm den Whisky eingeflößt und seine Kleider damit begossen hatten. Unter dieser Schandtat litt nämlich nicht nur er, das unmittelbare Opfer, sondern auch seine Mutter. Spätestens jetzt schwanden seine letzten Bedenken. Er würde seine Feinde ihrer gerechten Strafe zuführen!
“Sie müssen einsehen, Fortescue, dass Sie für einen höheren Posten in diesem Parlament nun nicht mehr infrage kommen”, erklärte Lord Liverpool, als Neville ihm an einem sonnigen Nachmittag vor dem Parlamentsgebäude begegnete.
Nach und nach gaben ihm die politischen Führer des Landes zu verstehen, dass sein leichtsinniger Fehler, wie sie es nannten, seiner Laufbahn geschadet hatte. Dass sie selbst auch nicht gerade mit makellos weißer Weste dastanden, spielte überhaupt keine Rolle. Sie begingen ihre Sünden diskret, im Geheimen, während er, Neville, seine Partei in Misskredit gebracht hatte.
Gerade zu dieser Zeit konnte jeder Skandal um einen Politiker sich verheerend auswirken, denn unter der Bevölkerung breitete sich zunehmend Unzufriedenheit aus. In den Städten wie auf dem Land sammelten sich die Arbeiter zu Protestmärschen, aufgewiegelt durch ihre materielle Not. Das Gespenst der Revolution ging wieder um, deswegen durfte die Regierung gerade jetzt auf keinen Fall die Achtung der Bürger verspielen.
“Noch etwas. Sir Stanford Markham sagt, Sie hätten ihn wegen eines vermissten Dienstmädchens belästigt. In Ihrer Lage finde ich das äußerst unklug. Halten Sie sich zurück, dann können Sie mit der Zeit vielleicht Ihren guten Ruf wiederherstellen, oder wenigstens zum Teil.”
Soso, Sir Stanford übte Druck auf den Premierminister aus! Deswegen gab sich Neville noch lange nicht geschlagen, im Gegenteil,
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