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Ein Tag im Maerz

Ein Tag im Maerz

Titel: Ein Tag im Maerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Thompson
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Schreie folgten, offenbar von zwei Männern. Rachel glaubte, sie liege in ihrem großen Doppelbett in Ealing, und der Lärm dringe von draußen durch das blitzsaubere viktorianische Fenster ihres Zimmers herein, aus der Welt jenseits des engen Rahmens, in dem sie lebte. Doch als sie sich herumrollte, fiel sie von der schmalen Luftmatratze, auf der sie geschlafen hatte, und landete mit einem leisen Wumms auf dem Teppich. Rasch begriff sie, wo sie war. Ein Geruch nach altem Zigarettenrauch stieg ihr aus dem Teppich in die Nase, und ihr wurde schlecht.
    Sie bemerkte, dass ihre Füße und Beine von ihrem Auftritt am Abend zuvor wehtaten. Gegen drei Uhr morgens hatte sie sich endlich betrunken hingelegt, nachdem sie mit ihren Kollegennoch ausgegangen war. Ihr Kopf schmerzte, aber die richtigen Kopfschmerzen würden noch kommen. Ihr Kater begann immer so: intensiver Druck im Schädel, aus dem sich innerhalb einer Stunde ein trommelndes Pochen entwickelte, und dann kamen Übelkeit und schließlich Schuldgefühle.
    Sie setzte sich auf und blickte sich in ihrer Umgebung um. Alles drehte sich um sie, und sie musste die Augen zusammenkneifen, um das Wasserglas scharf zu sehen, dessen Inhalt sie rasch herunterstürzte. Das Wohnzimmer in Lisas Wohnung war, wie üblich, das reinste Chaos. Ihre Rechnungen schienen sich über Nacht vervielfacht zu haben, und ihre verpassten Ratenzahlungen und Mahngebühren lagen neben einem Taschenrechner auf dem Tisch ausgebreitet.
    Auf dem Tisch lag auch ein Zettel von Lisa, der Rachel mitteilte, dass sie tagsüber mit Claire unterwegs sei und gegen sechs Uhr zurückkehren würde. Rachel war allein in der Wohnung. Nur sie, der Fernseher und die Gelegenheit, alles herauszufinden, was sie wissen wollte. Das Pochen in ihrem Kopf setzte ein: ein leiser Rhythmus aus der Ferne wie ein Trommelstock in Plastikfolie.
    Sie nahm wieder das Wasserglas und goss sich die letzten Tropfen in die Kehle. Als sie sich bewegte, kam es ihr vor, als drückten die Kanten ihres Gehirns gegen die Innenseite ihres Schädels. Der Lärm von oben verstummte unversehens; jetzt hörte sie Hundegebell und dann eine Polizeisirene auf dem Parkplatz unten vor der Tür. Die Polizei kam so oft in das Haus, dass Rachel ihr schon gar keine Beachtung schenkte. Auf ihrer alten Straße in Ealing hätte ein einziges blaues Blitzen auf der Straße sofort zu bewegten Gardinen geführt, und auf den Gehwegen hätten sich die Leute gesammelt; war der Zwischenfall interessant genug, brachten sie Tee und Plätzchen mit.
    Durch ihren Kater zitterten ihre Hände ein wenig, und derRing an ihrer rechten Hand fiel ihr ins Auge, wie immer ein ziemlich überwältigender Anblick. Rachel suchte in ihrer Handtasche und nahm zwei Paracetamol. Als sie die zweite Tablette schluckte, musste sie ein wenig würgen. Sie zog sich aufs Sofa hoch und blickte durch das Fenster auf den Betondschungel, den sie jetzt ihr Zuhause nannte. So kurzfristig sie hier auch untergebracht war, sie gehörte jetzt dazu.
    Rita hatte noch immer weder angerufen noch eine SMS geschickt. Nicht einmal.
    Hassten ihre Eltern sie nun, weil sie aus dem Haus gestürmt war und die Tür hinter sich zugeknallt hatte? Ahnten sie denn überhaupt, welche Wut auf sie in Rachel kochte? Wie ein störrischer Hund saß sie einfach die Tage aus und wartete darauf, dass sie begriffen, welche Qual sie ihr bereitet hatten.
    Am Himmel zogen sich Wolken zusammen, und die Atmosphäre war bedrückend. Rachel wandte sich vom Fenster ab, zog die Knie bis unters Kinn, fuhr sich mit den Händen über die Schienbeine und träumte von ihrer neuen Zukunft. Sie hatte etwas zu erledigen. Was sie vorhatte, war schwierig; sie wusste, dass man sich nicht in fremde Angelegenheiten einmischte, aber sie brauchte Antworten.
    Rachel war unruhig: Als sie das letzte Mal in den Papieren anderer Leute wühlte, war sie unbeabsichtigt über ihre eigene Vergangenheit gestolpert und hatte eine gewaltige Dose der Pandora voll Fragen geöffnet, die ihr Leben für immer veränderten.
    Würde sie sich anders verhalten, wenn sie die Zeit zurückdrehen könnte? Würde sie ihre Entdeckung ungeschehen machen, damit sie unwissend bleiben konnte? Rachel war sich nicht sicher.
    Sie stellte den Fernseher an und schaltete auf einen Nachrichtenkanal. Irgendwie ließ er das, was sie nun vorhatte, zivilisierter erscheinen, gebildeter, informierter   … Eine Nachrichtensprecherin in einem schicken dunkelblauen Kostüm blickte in die Kamera und

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