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Ein Tag im Maerz

Ein Tag im Maerz

Titel: Ein Tag im Maerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Thompson
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Tröpfchen auf den Stoff fallen, der das Geräusch verstärkte, als säße sie in einem Zelt.
    Sie schob ihre Karte in den Schlitz und gab ihre Geheimnummer ein, dann drückte sie auf die Taste für die Kontoabfrage. Der Automat dachte ein paar Sekunden lang darüber nach; ihr kam es wie Stunden vor. Dann erschien ihr Kontostand auf dem Bildschirm, eine Zahl, von der sie glaubte, sie bilde sie sich ein.
    £ 3   917,54
    Vier Stellen. Vor dem Komma. In Schwarz. Sie starrte die Ziffern an, und ihr Magen verwandelte sich in Gelee. Vielleicht war es alles nur ein Traum, und sie wachte gleich auf und hörte ihre Tochter, die nach Essen weinte, und der Kopfschmerz, der tagein, tagaus über ihr schwebte wie eine Regenwolke, setzte wieder ein.
    Woher kam so viel Geld? Es musste ein Fehler sein   … Sie wählte den Ausdruck von Kontoauszügen aus und zog die Karte aus dem Automaten. Dann wartete sie auf die Papiere, dieschließlich aus dem kleinen Schlitz neben dem Bildschirm geschoben wurden.
    Da sah sie es: £ 5   000   … von MISS R MATTHEW .
    Lisas Kopf fühlte sich ganz leicht an, als wäre er voller Helium. Doch das Gefühl der Leichtigkeit wich ganz schnell einer anderen Empfindung: der Wut.
    »Ich brauche deine Wohltätigkeit nicht, Rachel«, knurrte Lisa. Sie überragte ihre ältere Tochter, die auf einem wackligen Stuhl am Küchentisch saß.
    Rachel trug noch immer ihre Ballettstrumpfhose, und ihr Haar war so stark eingesprüht, dass es sich anfühlte wie ein Helm aus Stroh. Sie zog die Strickjacke enger, als die Kälte in der Wohnung ihr tiefer in die Knochen dringen wollte.
    Lisa hielt ihren Kontoauszug in der Hand. Ihre Hände zitterten. Sie trug einen kurzen grünen Morgenmantel und ein Paar mottenzerfressene Pantoffeln, die irgendwann einmal Hasenohren an den Spitzen gehabt hatten. Zwei davon waren abgefallen.
    Rachel empfand ein nur zu vertrautes Gefühl der Übelkeit, das in ihren Magen strömte; eine Mischung aus Verwirrung und Angst und Verzweiflung darüber, dass die Welt so verrückt war. Sie hatte das Gefühl, es nie jemandem recht machen zu können. Doch statt aufzubrausen, was ihre übliche reflexhafte Reaktion war, empfand sie nur Traurigkeit. Ihr Elend kroch ihr in die Seele und wurde zur Lebensgewohnheit.
    Mit dieser Reaktion ihrer leiblichen Mutter hätte sie am wenigsten gerechnet, als sie ihr ein bisschen Geld überwies, damit ihre Schulden beglichen waren. Sie hatte sich so darauf gefreut, wie Lisa es aufnehmen würde. Dass sie vielleicht ein wenig echten Respekt vor ihr empfände. Dass sie hier zu Hause seinkönnte. Doch jetzt begriff Rachel, dass sie so etwas nicht kaufen konnte, und sie kam sich töricht vor.
    Sie versuchte ruhig zu bleiben und zu analysieren, was vorging. Wieso sollte jemand so reagieren?
    »Du hast einfach meine ganzen Papiere durchgekramt, oder?«, schrie Lisa und begann, auf- und abzugehen.
    Rachel sah auf ihre Füße, die in glänzenden schwarzen Stiefeln von Dr. Martens steckten. »Na ja, klar hab ich das. Aber nur, weil ich dir helfen wollte und wusste, dass du Hilfe nicht so einfach annimmst   …«
    Lisa blieb stehen, lehnte sich an die Stahlspüle, in der sich die Tassen und Babybecher stapelten. »Weißt du eigentlich, was daran das Schlimmste ist? Du kommst hier rein, in mein Zuhause, erwartest von mir, dass ich dich aufnehme, und kaum wende ich dir einmal den Rücken zu, durchwühlst du meine Sachen!«
    Rachel konnte nicht fassen, was sie da hörte. Ihr wurde schwindlig, und nur das Ticken der weißen Plastikuhr über der Tür hielt sie im Raum, eine Sekunde nach der anderen. Tick-Tack. Tick-Tack. »Du musstest mich ja nicht aufnehmen«, erwiderte sie, und die Tränen stachen ihr in die Augen. Musste sie schon wieder gehen?
    »Aber mir blieb ja kaum eine andere Wahl, oder?«, schrie Lisa. »Ich hatte dich ja schon mal weggegeben, und das konnte ich nicht noch mal auf mich laden. Aber du gehörst nicht hierher, Rachel   – du gehört in eine Welt mit Privilegien und teuren Autos. Aber nicht hierher. Es ist peinlich, dich hier zu haben in dieser Bruchbude«, sagte sie bitter.
    Rachel war übel.
    »Warum kannst du nicht erwachsen werden? Als ich so alt war wie du, hab ich von morgens bis abends gearbeitet, um über die Runden zu kommen, aber du? Du flatterst bloß herum und erwartest, dass andere Leute sich um dich kümmern!«
    Rachel wischte sich die Tränen unter den Augen weg und spürte den Schmerz tief in sich. Sie hatte geglaubt, sie wäre hier

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