Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Tag im Maerz

Ein Tag im Maerz

Titel: Ein Tag im Maerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Thompson
Vom Netzwerk:
Kitt.
    Sie blickte Tynice mit toten Augen an. »Ihren Namen bitte«, grunzte sie. Tynice fragte sich, ob die Polizistin sich eine Vorstellung machte, was sie empfand. Sie schien nichts Menschliches an sich zu haben, ließ jedes Mitgefühl vermissen. Sie machte Tynice Angst.
    »Tynice. Tynice Hendry. Wohnung Nummer zwölf, Fairgr…«
    »Halt. Im Moment brauche ich Ihre Adresse nicht, nur Ihren Namen«, unterbrach die Polizistin sie, tippte an ihrem Computer und vermied jeden Blickkontakt mit der Frau, die vor ihr stand.
    Tynice spürte, wie in ihr Ärger aufstieg, aber sie wusste, dass sie ihn bezwingen musste. Sie musste Herrin der Lage bleiben. Keon hatte nichts verbrochen. Der Polizei war ein großer Irrtum unterlaufen, der sich bald klären würde, versicherte sie sich und betete still zu Gott.
    »Gut, Tynice. Wenn Sie bitte links durch die Tür gehen würden. Inspector Rusbin erwartet Sie.«
    Tynice war so nervös und von allem überwältigt, dass ihr das Gehen schwerfiel. Sie schlurfte durch den vollen Warteraum, und es fühlte sich an, als würden alle sie anstarren. Rote, traurige Augen unter Baseballmützen. Andere Eltern, die genauso entsetzt dreinschauten. Unberührte Zeitschriften   – wohl niemand brachte hier Interesse für die Umtriebe der Reichen und Berühmten auf.
    Sie drückte gegen die Tür, doch sie gab nicht nach. Wütend drückte sie wieder. Ihre Nerven spannten sich noch mehr. Bitte, Herr! Wenn du mir hilfst, diese Sache wieder in Ordnung bringen, will ich mehr für dich tun   – egal was, dachte sie und drückte mit aller Kraft gegen die schwere kalte Tür.
    Von einem der Stühle hinter ihr kam eine barsche Stimme mit leicht sarkastischem Ton. »Sie müssen schon dran ziehen.«
    Tynice drehte sich nicht einmal um, um den Sprecher anzusehen oder ihm zu danken. Sie wollte von niemandem erkannt werden. Nicht einmal gesehen. Sie zog nur an der kühlen silbrigen Stange über dem Schild, auf dem deutlich stand: ZIEHEN .
    Der Polizist erwartete sie in einem langen Korridor, der halb eierschalenweiß, halb flaschengrün gestrichen war. Seine Füße standen in Schulterbreite auseinander, eine Hand umklammerte die andere. »Guten Morgen, Mrs. Hendry«, sagte er, kaum dass die Tür hinter ihr zugeschwungen war.
    Tynice nickte zur Antwort. Ihr fehlten die passenden Worte. Sie las am Gesicht des Beamten ab, dass die Sache schlimm stand. Die Vernehmung, der man sie noch in der Nacht unterzogen hatte, war ruhig abgelaufen, ohne vorwurfsvollen Ton, als gehörte sie zu der Routine, die die Beamten abzuarbeiten hatten.
    »Ich glaube, Sie sollten mich begleiten, Mrs. Hendry. Eine Tasse Tee?«, fragte er.
    Sie nickte, und eine junge Polizeibeamtin, die sie bisher gar nicht bemerkt hatte, entfernte sich eilig. Der Polizist war groß und wirkte imposant. Sein dunkles Haar war von grauen Strähnen durchzogen, sein Gesicht von den Narben einer Akne übersät, die ihm als Jungen schwer zu schaffen gemacht haben musste. Er hatte tiefliegende braune Augen. Augen, die schon alles gesehen hatten.
    Sie versuchte, sich in dem kleinen weißen Vernehmungsraum, in den sie geführt wurde, auf einen Stuhl zu setzen, aber sie musste sich an der Tischplatte festhalten. Der Raum erinnerte an das Innere eines Schuhkartons, nur dass es ein kleines Fenster gab, hinter Maschendraht, sollte irgendein Hooligan es einschlagen wollen. An den Wänden hingen keine Bilder, keine Notiztafeln, keine Poster, die mit kunstvollen Wortspielen Jugendliche davon abhalten sollten, Waffen zu kaufen und ihre eigenen Cannabis-Plantagen anzulegen, nur eine einsame Uhr hoch über Inspektor Rusbins Kopf.
    »Mrs. Hendry, ich sage es Ihnen nur ungern, aber wir haben entschieden, Ihren Sohn in Verbindung mit dem Mord an einem achtundzwanzigjährigen hier ansässigen Mann vor Gericht zu bringen. Ihr Sohn wurde innerhalb einer Stunde nach dem Verbrechen von Polizeibeamten in einer Gasse aufgegriffen. Er war in einem üblen Zustand   … aber ich bin sicher, Sie haben all dies bereits gehört.«
    Sie hatte nicht gewusst, in welchem Zustand Keon festgenommen worden war. Sie hatte geglaubt, sie bräuchte nur in die Polizeiwache zu gehen und zu sagen, dass es sich um einen Irrtum handelte, und könnte ihren Sohn gleich mit nach Hause nehmen.
    Ihr Magen zog sich zusammen, und sie atmete tief ein, hob die Hände an ihr Gesicht. Sie stellte sich einen jungen Mann vor, der zitternd in einer Gasse stand, sich mit schwitzenden Fingern am Mauerwerk festhielt und kein

Weitere Kostenlose Bücher