Ein Tag im Maerz
die Augen trieben, hingen dick in der Luft und konnten nur durch ein kleines Fenster entkommen, das lediglich einen Spalt weit offen stand.
Rachel kniete vor der Badewanne und blickte auf die teuren Fliesen, dann machte sie eine rasche Kopfbewegung, ohne die Folgen zu bedenken. Tropfen aus widerlicher Schwärze klatschten auf die schneeweiße Tapete hinter ihr, an die Decke und von dort wieder in die Wanne: eine verfängliche Spur, die allein zu ihr führte. Sie begriff sofort, dass sie mit einer Kopfbewegung vermutlich das gesamte Badezimmer in einen renovierungsbedürftigen Zustand versetzt hatte, doch sie hielt sich nicht damit auf, sich umzudrehen und ihr Werk zu betrachten.
Rachel war sich nicht sicher, weshalb sie es tat.
In der Haarfärbeabteilung des Drogeriemarkts hatte sie nur ungefähr dreißig Sekunden lang gezögert; sie hatte gewusst, was sie wollte. Sie wollte Aufmerksamkeit auf sich lenken. Es musste pechschwarz sein.
Sie ging zur Dusche, bog den Kopf der Brause über ihren eigenen und ließ das Wasser durch ihr Haar laufen. Der neue Farbton schockierte sie sogar selbst.
Das Färbemittel floss in die Dusche und schien erst nach Wassermengen, die Rachel wie Kubikmeter vorkamen, langsam zu verblassen. Fünf Minuten vergingen, dann zehn, und noch immer hatte das Wasser, das zwischen ihren Füßen in den Abfluss rann, einen Kohlestich von ihrem Haar. Der Abfluss schluckte es zufrieden gluckend wie ein gieriger Betrunkener. Mehr Auflehnung hatte dieses Haus nicht erlebt, seit die Familie Matthew vor zehn Jahren eingezogen war.
Schließlich verteilte Rachel einen speziellen Conditioner aus einer kleinen bronzefarbenen Tube in ihren Haaren, deren Beschriftung weltverändernde Zuversicht verhieß. Worte wie »Außerordentlicher Glanz« und »subtil nährend« paarten sich mit dem Satz »Für die beste Haarfarbe aus der Flasche, die Sie je hatten«.
Doch Rachel interessierte überhaupt nicht, ob es die beste Färbung aller Zeiten war; für sie zählte der Farbton. Er war schwarz, und er war in die Strähnen ihres Haares eingezogen und verwandelte sie von einem engelgleichen Geschöpf in eine kleine Dämonin. Genau das hatte sie gewollt.
Fieberhaft machte sie weiter. Sie rieb sich den Conditioner vom Nacken bis zu den Spitzen in die Strähnen ihres Haars. Nachdem sie ihn, wie es in der Anleitung stand, zwei Minuten lang hatte einwirken lassen, spülte sie das Haar aus, bis das Wasser klar ablief. An den Fingerspitzen spürte sie eine plastikartige Schicht, die auf ihnen zurückgeblieben war.
Sie stellte sich vor den Badezimmerspiegel und starrte eine junge Frau an, die ihr fast wie eine Fremde vorkam.
Mit einem Mal drang ein durchdringender Schrei in ihre Ohren, ein so hoher, schneidender Ton, dass Rachel beide Augenbrauen hob, während sie breitbeinig stehend ihr Spiegelbild betrachtete. Fast hätte sie sich die Ohren zugehalten, um ihn nicht mehr hören zu müssen. Der Schrei kam allerdings nicht von ihr. Er kam von ihrer Mutter.
Rita stand in der Tür, und ihr Blick zuckte hin und her zwischen den rabenschwarzen Locken ihrer Tochter und dem, was wie die Spur eines verletzten Tintenfischs aussah, der über die Badezimmerwände geflohen war. Sie wusste nicht ganz sicher zu sagen, was ihr schlimmer vorkam, und war vollkommen unschlüssig, um was sie sich da als Erstes kümmern sollte.
Ihr Gesicht hatte die Farbe verloren, und aus der Tasse, die sie hielt – nunmehr fast waagerecht –, begann Tee auf den Boden zu tropfen. Ihr Mund stand offen. Sie begriff plötzlich, was sie tat, als ihr warme Tropfen auf die Zehen platschten, und drehte die Tasse um neunzig Grad nach oben. Sie war viel zu bestürzt, um an die Teeflecken im Teppich zu denken.
»Rachel! Was in Gottes Namen hast du getan?«
Rachel lächelte milde. Näher war ihre Mutter noch nie an eine Verwünschung gekommen.
»Nichts, Mum. Ich habe mir nur die Haare gefärbt. Ich hatte das Gefühl, es wäre Zeit für was Neues«, sagte sie gelassen und fuhr sich mit einem leuchtend roten Kamm durch die Strähnen, die so lang waren, dass sie ihr die Schultern kitzelten. Die Zinken des Kamms verfingen sich in einem Knoten am Ende einer Strähne. Rachel zerrte kräftig daran, bis er freikam und ein kleines Knäuel pechschwarzer Haare mitriss.
»Aber … aber … das ist viel zu dunkel für Swanilda. Du siehst aus wie … na ja, du siehst aus wie ein Grufti, Rachel, oder einImo«, sagte Rita, knallte die Tasse auf das Waschbecken und
Weitere Kostenlose Bücher