Ein Tag ohne Zufall
sehen uns nach Aidan und Mira um.
»Meinst du, wir können Lucky allein im Auto lassen?«, fragt mich Seth.
»Ich glaube nicht, dass Belle angelaufen kommt und ihn in den Kochtopf steckt.«
Wir entdecken Mira in einem Flur zwischen den beiden Türen, die als Toiletten gekennzeichnet sind. Als sie uns erblickt, winkt sie wie verrückt, und wir zwängen uns zwischen den vollen Tischen durch. Ein paar Gäste drehen sich nach uns um. In unseren Schuluniformen sehen wir wie Nachwuchs-Sicherheitsleute aus. »Wir müssen die blöden Klamotten loswerden«, zischele ich Seth zu.
»Du bist hier die Millionärin. Von mir aus können wir gern shoppen gehen.«
Mira zappelt, als hätte sie Hummeln in der Hose, und winkt uns heran.
»Du stehst direkt vor dem Klo«, sagt Seth. »Wieso gehst du nicht rein?«
»Ich muss ja gar nicht!«, flüstert sie und zeigt auf die Tür zur Herrentoilette. »Aidan ist
da drin
!«
Lässt Mira jetzt endlich raus, wie gestört sie ist? Sie schaut in unsere verständnislosen Gesichter und zischelt nachdrücklich: »Aidan ist
mit dem Präsidenten
auf dem Klo! Habt ihr noch nichts mitgekriegt?«
»Welcher Präsident?«, frage ich.
»Na,
der
Präsident!«
Seth lehnt sich lachend an die Wand. »Der Präsident der Vereinigten Staaten, na klar. Wer sonst?«
»Ja! Und seine Bodyguards sind auch da drin.«
»Jetzt ist sie endgültig durchgeknallt.« Seth will die Tür zum Herrenklo aufstoßen, aber Mira hält ihn am Arm fest. »Es stimmt wirklich! Die Gäste im Café haben uns erzählt, dass er hier langfährt, wenn er sich im Urlaub auf seinen Landsitz zurückzieht. Weil er voll auf den Blaubeerstreusel, die Spezialität des Hauses, abfährt, legt er hier immer eine Pinkelpause ein. Jedenfalls in der Blaubeerzeit.«
Die Tür geht auf, und zwei Männer kommen heraus: schwarze Anzüge, dunkle Sonnenbrillen, finstere Mienen. Seth schnappt nach Luft. Die beiden sehen tatsächlich wie Bodyguards aus.
Die Tür geht wieder auf. Aidan kommt heraus, ein triumphierendes Grinsen auf dem Gesicht, das er sich sofort verkneift, als er an einen der betont ausdruckslos dreinschauenden Männer herantritt und ihm zuraunt: »Ich soll Ihnen ausrichten, dass er noch etwas anderes zu erledigen hat. Es dauert noch einen Augenblick.«
»Danke, Kleiner«, erwidert der Mann. »War sehr interessant, sich mit dir zu unterhalten.«
Aidan nickt. »Gern geschehen.« Er stolziert an uns vorbei und bahnt sich einen Weg durch das Café zum Ausgang. Wir folgen ihm wie drei Güterwagen einer Lokomotive, schlängeln uns um die Tische herum. Kaum stehen wir draußen, entweicht Aidans verkniffenem Mund ein Jubelruf:
»Ich habe neben dem Präsidenten der Vereinigten Staaten gepinkelt! Schulter an Schulter! Er hat mich sogar etwas gefragt!«
Mira und Seth überschütten ihn daraufhin derart mit Fragen, dass er gar nicht zum Antworten kommt.
»Wie hast du’s fertiggebracht, überhaupt loszupinkeln?«
»Was hat er dich denn gefragt?«
»Wie ist er so?«
»Warst du nicht aufgeregt?«
»Was hast du gesagt?«
Aidan strahlt über das ganze Gesicht, seine übliche Zurückhaltung ist wie weggeblasen, als er seinen großen Augenblick rekapituliert. »Ich musste so nötig, dass ich mir fast in die Hose gemacht habe. Das haben mir die Bodyguards anscheinend angesehen. Wahrscheinlich wollten sie nicht, dass nachher etwas darüber in der Zeitung steht, jedenfalls haben sie mich durchgelassen. Ich hab erst gemerkt, neben wem ich da stehe, als ich meine Hose aufgemacht hab. Er hat gesagt, er ist gerade im Urlaub. Mir fiel ein, dass ihn manche Leute deswegen kritisieren, dass er sich überhaupt freinimmt, und da habe ich ihm meine Theorie erläutert.«
»Was für eine Theorie?«
»Die habe ich euch doch schon heute Morgen erzählt, aber ihr wolltet mir ja nicht zuhören. Dass alle Leute länger Urlaub haben müssten. Und zwar mindestens sechs Wochen.«
»Und was hat der Präsident dazu gesagt?«, will Seth wissen.
»Erst hat er genickt. Dann hat er ›Hm‹ gesagt. In diesem Tonfall: ›Hm.‹ Ich hatte den Eindruck, dass er sich die Sache ernsthaft durch den Kopf gehen lässt. Und er hat mich gefragt, wie ich heiße. Dann hat er seinen Hosenstall zugemacht, mir die Hand geschüttelt und ›Vielen Dank, Aidan‹ gesagt.«
Mira verzieht das Gesicht. »Hat er sich nicht vorher die Hände gewaschen?«
»Doch, doch.
Erst
hat er sich die Hände gewaschen, und
dann
hat er mir die Hand geschüttelt. Was ich ihm erklärt habe, schien ihn
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