Ein Tag wie ein Leben: Vom Krieg (German Edition)
schickten sie mich in den Irak. Anfangs nach Abu-Ghraib, dann nach al-Asad, dann Mossul, danach wieder Abu-Ghraib, Babil und Falludscha.»
«Worin bestand dein Dienst?»
«Am Anfang bildeten sie mich drei Wochen lang in den elementaren Dingen aus, im Trainingslager, in einem Kurs für den ‹jungen Kämpfer›. Danach brachten sie mir ganz speziell bei, wie man Leute verhört. Von körperlicher Einwirkung war dort nicht die Rede. Im Gegenteil, man sagte uns, wir müssten die Genfer Konvention, die Menschenrechte beachten. Sie erklärten uns nur, wie man richtig Fragen stellt, mehr nicht. Zum Beispiel darf man keine Frage mit offenem Ausgang stellen. Vom gesamten Kurs waren vielleicht zwei Tage der Frage gewidmet, wie man einen Menschen zum Reden zwingt. Aber nur in Form von Psychologie. Wenn du zum Beispiel auf dem Schlachtfeld jemanden gefangen nimmst, dann musst du sofort auf ihn eindringen – erzähl uns was, mit Hilfe deiner Information können wir den Krieg beenden, dann kommst du und kommen deine Kameraden sofort nach Hause, niemand wird mehr kämpfen müssen. Die ganze Vernehmungstechnik beruhte auf gutem Zureden. Wir hatten nicht das Recht, das Messer zu zeigen – geschweige denn, direkt damit zu drohen.»
«Und im Irak war es dann auch so?»
«Alles war ganz anders. Im Irak sagten sie uns, die Genfer Konvention, die Menschenrechte, die internationalen Folterkomitees – all das könnt ihr hier vergessen. Das einzige Papier, an das wir uns zu halten hatten, war ein Dokument des Pentagon. Es ließ uns völlige Handlungsfreiheit. Dort hieß es zum Beispiel: ‹Wir empfehlen den Einsatz von Hunden. Oder wenden Sie Stress-Zustände, Stress-Positionen an. Doch wenn Sie wollen, können Sie auch kreativ an Ihre Aufgabe herangehen.›»
«Was meinst du mit Stress-Positionen?»
«Zum Beispiel wurde ein Mann an das Kopfende des Bettes gefesselt oder zum Knien gezwungen, und das stundenlang. Oder an eine Kette gelegt. Also eine unbequeme Körperposition, in der man es nur schwer lange aushält. Aber als ich nach Abu-Ghraib kam, waren die Geschichten darüber, was dort geschah, schon an die Presse gelangt. Deshalb war es ein bisschen ruhiger geworden. In al-Asad das Gleiche. Kurz vor meinem Eintreffen dort hatte ein amerikanischer Soldat einen Gefangenen getötet, und man versuchte, irgendwelche kosmetischen Maßnahmen durchzuführen. Mit richtiger Folter hatte ich es nur in Mossul zu tun. Das waren dann schon harte Sachen. Sehr verbreitet war zum Beispiel eine Verhörmethode, bei der man dem Liegenden mit den Knien auf die Brust stieg, damit er keine Luft mehr bekam. Oder man setzte Hunde ein, entzog den Leuten Schlaf, wandte abwechselnd Hitze und Kälte an, zog ihnen Plastiktüten über den Kopf, zog sie nackt aus …»
«Wie verlief das Verhör? Warst du mit dem Gefangenen allein, oder waren da noch andere ausgebildete Leute?»
«Wenn wir Hunde einsetzten, war ein Hundespezialist dabei. Aber es gab niemanden, der uns speziell zur Folter ausgebildet hätte. Eine spezielle Folterausbildung gab es überhaupt nicht. Für gewöhnlich war ich allein mit dem Gefangenen.»
«Das heißt, du hast auch selbst gefoltert?»
«Ja.»
«Die Entscheidung zur Anwendung besonderer Methoden hast du auch selbst getroffen?»
«Vor Beginn des Verhörs habe ich einen Plan entworfen, nach dem es ablaufen sollte. Gewöhnlich kam die Weisung, wie das Verhör zu führen war, direkt von meinem Chef.»
«Die Leute, die ihr verhört habt – waren das Aufständische?»
«Zu fünfundneunzig Prozent waren das ganz normale Leute. Mehr noch. Wenn irgendwo eine Sprengfalle explodierte, wurden alle, die man in der Nähe aufgegriffen hatte, verhaftet. Und mir wurde Druck gemacht, dass ich verwertbare Aussagen kriege. Denn so konnte man sagen, dass sie Täter waren und man sie nicht unnütz verhaftet hatte. Das warf dann ein gutes Licht auf die Einheit, die die Leute festgenommen hatte – sie hatte ihren Kampfauftrag erfüllt.»
«Das heißt, a priori waren alle Verhafteten schuldig, und du solltest nicht die Wahrheit herausfinden, sondern sie zu dem Geständnis bringen, dass sie Aufständische waren – verstehe ich das richtig?»
«Ja, richtig. Das alles zielte nicht darauf ab, Informationen zu bekommen. Bis heute dreht sich die Debatte um die Legitimität der Folter in Amerika nicht um Effektivität oder Nichteffektivität. Sondern darum, wie man einen Menschen brechen kann, wie man seine Überlegenheit über den geschlagenen
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