Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Tag wie ein Leben

Ein Tag wie ein Leben

Titel: Ein Tag wie ein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
Vom Netzwerk:
gelernt.«
Der Gedanke an diese Unterhaltung beeinflusste auch den letzten
Nachmittag in jenem Sommer, den Jane und ich gemeinsam verbrachten. Es war ein Sonntag, zwei Tage, nachdem ich Jane mit zu
der Cocktailparty genommen hatte. Wir saßen in den Schaukelstühlen auf Noahs Veranda. Ich musste am selben Abend zurück nach
Durham fahren, und ich weiß noch genau, dass ich auf den Fluss
starrte und mich wieder einmal fragte, ob es uns wohl gelingen würde, unsere Beziehung über die Zeit des Getrenntlebens zu retten, oder
ob Jane, genau wie Gail, einen Ersatz für mich suchen würde.
»Hallo, junger Mann!«, sagte sie nach einer Weile. »Warum so
schweigsam?«
»Ich überlege, wie es sein wird, wenn ich wieder an der Uni bin.«
Jane lächelte. »Hast du Angst, oder freust du dich?«
»Beides, glaube ich.«
»Vielleicht kannst du es so sehen: Es sind nur neun Monate bis zu
deinem Examen, und dann bist du fertig.«
Ich nickte stumm.
»Bist du sicher, dass dich nicht noch etwas anderes umtreibt?« Sie
musterte mich eingehend. »Du wirkst schon den ganzen Tag bedrückt.«
Ich setzte mich anders hin. »Erinnerst du dich an Harold Larson?
Ich habe dich auf der Cocktailparty mit ihm bekannt gemacht.«
Jane überlegte. »War Harold derjenige, der auch bei der Law Review arbeitet? Ziemlich groß, braune Haare?«
Ich nickte abermals.
»Was ist mit ihm?«
»Ist dir aufgefallen, dass er allein war?«
»Nein, könnte ich nicht behaupten. Wieso?«
»Seine Freundin hat mit ihm Schluss gemacht.«
»Ach, der Arme.« Offenbar konnte sie sich nicht erklären, was das
mit ihr zu tun hatte und weshalb ich es überhaupt erzählte. Ich musste also etwas weiter ausholen, um mich verständlich zu machen.
»Es wird bestimmt ein schwieriges Jahr«, begann ich. »Ich nehme
an, ich werde sozusagen in der Bibliothek leben.«
Jane legte mir tröstend die Hand aufs Knie. »Das hast du doch in
den letzten Jahren sehr gut hinbekommen. Ich wette, du genießt es
sogar irgendwie.«
»Das hoffe ich auch«, fuhr ich fort, »es ist nur so - ich bin dauernd
eingespannt und kann deshalb nicht jedes Wochenende hierher
kommen, um dich zu besuchen, wie jetzt während des Sommers.«
»Das ist mir klar. Aber wir werden uns doch trotzdem sehen! Ein
bisschen Freizeit bleibt dir sicher, und ich kann doch auch mal zu dir
nach Durham fahren, das darfst du nicht vergessen.«
Ich sah, wie in der Ferne ein Schwarm Spatzen von einem Baum
aufflog. »Aber es wäre gut, wenn du mir vorher Bescheid sagen würdest. Damit du weißt, ob ich auch wirklich Zeit habe. Das letzte Jahr
vor dem Examen ist sehr arbeitsintensiv.«
Wieder musterte sie mich prüfend. Ich glaube, sie wollte herausfinden, was ich ihr in Wahrheit zu sagen beabsichtigte. »Was ist los,
Wilson?«
»Wieso fragst du?«
»Es hört sich an, als würdest du dir jetzt schon überlegen, mit welchen Ausreden du mich am besten abwimmeln kannst.«
»Aber das sind doch keine Ausreden! Ich will nur, dass du verstehst, wie viel ich arbeiten muss.«
Jane lehnte sich zurück. Ihr zusammengekniffener Mund bildete eine schmale Linie. »Und weiter?«
»Was ›und weiter‹?«
»Willst du damit sagen, dass du mich nicht mehr sehen möchtest?«
»Nein, nein auf keinen Fall!«, protestierte ich. »Aber es ist eine
Tatsache, dass du hier bist und ich dort. Du weißt doch, wie schwierig eine Beziehung auf diese Entfernung sein kann.«
Sie verschränkte die Arme. »Und was folgt daraus?«
»Na ja - da kann so vieles schief laufen, und ich will auf keinen
Fall, dass einer von uns leidet, verstehst du das nicht?«
»Dass einer von uns leidet?«
»So war es bei Harold und Gail«, erklärte ich. »Die beiden haben
sich nicht mehr so oft gesehen, weil er viel zu tun hatte, und deswegen hat sie sich von ihm getrennt.«
»Und du denkst jetzt, bei uns könnte es genauso laufen.«
»Du musst zugeben, dass, statistisch gesehen, unsere Chancen nicht
allzu gut stehen.«
»Statistisch gesehen? Du willst das, was zwischen uns ist, statistisch bewerten?«
»Ich will nur ehrlich sein!«
»Was heißt hier ehrlich? Statistisch gesehen? Was geht uns beide
die Statistik an? Und was haben wir mit diesem Harold zu tun?«
»Jane, ich…«
Sie wandte sich ab. Wollte sie meinem Blick ausweichen? Als sie
zu reden begann, war ihre Stimme so leise, dass ich sie kaum hören
konnte. »Wenn du mich nicht mehr sehen möchtest, brauchst du es
nur zu sagen. Aber schiebe nicht die viele Arbeit vor. Sag mir einfach, was Sache ist. Ich bin

Weitere Kostenlose Bücher