Ein Tag wie ein Leben
in Tränen aus, wenn ich irgendetwas
murmle.«
»Das mache ich heimlich, wenn du nichts davon merkst.«
Noah grinste. »Na ja - aber nicht so wie die beiden. Bestimmt wird
eine von ihnen die nächsten Tage rund um die Uhr in meiner Nähe
sein wollen, mich zudecken und mein Kissen aufschütteln und überhaupt. Die beiden sind solche Glucken! Ich weiß, sie meinen es gut,
aber wenn sie mich derart umsorgen, macht mich das verrückt. Als
ich das letzte Mal im Krankenhaus war, hatte ich keine Minute Ruhe.
Ich konnte nicht mal auf die Toilette gehen, ohne dass eine von ihnen
mich begleiten wollte, und dann haben sie immer vor der Tür gewartet, bis ich fertig war.«
»Aber du hast Hilfe gebraucht! Du konntest nicht ohne Stütze gehen, erinnerst du dich?«
»Ein Mann braucht aber auch seine Würde.«
Ich drückte seine Hand. »Du wirst immer der würdevollste Mensch
sein, den ich kenne.«
Noah erwiderte meinen Blick, und seine Gesichtszüge wurden
plötzlich ganz weich. »Sobald sie mich sehen, werden sie sich auf
mich stürzen. Das kannst du mir glauben. Sie werden mich nicht
mehr aus den Augen lassen, genau wie sonst.« Er grinste verschmitzt. »Ich denke, ich werde mir einen kleinen Scherz mit ihnen
erlauben.«
»Übertreib’s nicht zu sehr, Noah. Sie machen das doch nur aus Liebe.«
»Ich weiß. Aber sie sollen mich nicht wie ein Kind behandeln.«
»Das tun sie auch nicht.«
»Doch, das tun sie. Wenn es so weit ist, sag du ihnen bitte, ich
brauche Ruhe, okay? Denn wenn ich zu ihnen sage, dass ich müde
werde, machen sie sich nur wieder unnötig Sorgen.«
Ich lächelte. »Wird gemacht.«
Eine Weile lang saßen wir schweigend beieinander. Der Herzmonitor piepste regelmäßig, und das monotone Geräusch wirkte fast beruhigend.
»Weißt du, warum ich gesagt habe, du sollst kommen und nicht
eins meiner Kinder?«
Ich nickte - fast gegen meinen Willen. »Du willst, dass ich nach
Creekside gehe und den Schwan füttere, so wie letztes Frühjahr,
stimmt’s?«
»Würdest du das für mich tun?«
»Ja, natürlich. Die Aufgabe übernehme ich gern.«
Er sah auf einmal so müde aus, dass ich richtig Mitleid mit ihm bekam. »Du weißt ja, ich hätte dich nicht darum bitten können, wenn
die anderen auch im Zimmer sind«, sagte er. »Sie regen sich schon
auf, wenn ich die Schwänin nur erwähne, weil sie sofort glauben, ich
verliere den Verstand.«
»Ich weiß.«
»Und du weißt auch, dass es nicht stimmt.«
»Ja.«
»Weil du so denkst wie ich. Sie war bei mir, als ich wieder zu Bewusstsein gekommen bin. Sie stand da, über mich gebeugt, und hat
auf mich aufgepasst. Die Schwester musste sie sogar wegscheuchen.
Sie ist die ganze Zeit bei mir gewesen.«
Ich wusste genau, was er von mir hören wollte, aber ich fand nicht
die richtigen Worte. Also lächelte ich nur und sagte: »Wonderbread.
Vier Scheiben am Morgen und drei am Nachmittag oder gegen Abend, stimmt’s?«
Noah drückte meine Hand und zwang mich, ihm in die Augen zu
sehen.
»Du glaubst mir doch, Wilson, oder?«
Ich schwieg. Da Noah mich besser kennt als irgendjemand, wusste
ich, dass ich ihm nichts vormachen konnte. »Ich weiß es nicht.«
Die Enttäuschung auf seinem Gesicht war nicht zu übersehen.
Eine Stunde später wurde Noah in ein Zimmer im ersten Stock verlegt, und nun konnten sich endlich alle um ihn versammeln.
Als Jane und Kate eintraten, riefen sie wie aus einem Munde: »Ach,
Daddy!« Lynn und Debbie folgten ihnen, während David und Jeff
auf die andere Seite des Bettes traten. Grayson postierte sich am Fußende, während ich mich im Hintergrund hielt.
Wie Noah schon angekündigt hatten, stürzten sich seine Kinder auf
ihn: Sie nahmen seine Hand, zupften die Bettdecke zurecht, stellten
das Kopfende höher, musterten ihn prüfend, betätschelten ihn, fächelten ihm Luft zu, umarmten und küssten ihn. Alle wollten wissen,
wie es ihm ging, und überschütteten ihn mit Fragen.
Jeff begann den Reigen: »Fühlst du dich wirklich besser? Der Arzt
hat gesagt, du bist schwer gestürzt.«
»Mir geht es gut, danke. Ich habe eine Beule am Hinterkopf, aber
sonst fehlt mir nichts, ich bin nur ein bisschen müde.«
Nun war Jane an der Reihe. »Ich bin zu Tode erschrocken!«, klagte
sie. »Aber zum Glück sieht es so aus, als wäre dir nichts Ernsthaftes
zugestoßen.«
»Mir ist auch der Schreck in alle Glieder gefahren!« Das war David.
»Du hättest nicht allein in den Park gehen sollen, wenn dir nicht
ganz wohl ist«, mischte sich Kate ein. »Das
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