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Ein Tag wie ein Leben

Ein Tag wie ein Leben

Titel: Ein Tag wie ein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
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weshalb die Ärzte denken, Noah leide an
Wahnvorstellungen.
    Wir blieben noch eine halbe Stunde im Krankenhaus. Dr. Barnwell
versprach, uns am nächsten Tag nach der Visite anzurufen, um uns
über Noahs Zustand auf dem Laufenden zu halten. Er fühlte sich unserer Familie sehr verbunden und sorgte für Noah wie für einen Vater. Wir vertrauten ihm rückhaltlos. Wie ich mit Noah vereinbart hatte, sagte ich zu den anderen, er scheine jetzt doch müde zu werden
und sollte sich vielleicht ein bisschen ausruhen. Draußen auf dem
Parkplatz vereinbarten wir beim Abschied, ihn abwechselnd zu besuchen, dann umarmten und küssten wir uns, und schon bald waren
Jane und ich wieder allein. Wir schauten den anderen nach.
    Ich sah Jane an, wie erschöpft sie war. Ihr Blick war trübe, sie ließ
die Schultern hängen. Mir selbst ging es nicht viel besser.
»Wie fühlst du dich?«, fragte ich sie.
»Ach, es geht schon.« Sie seufzte. »Ich weiß, er wirkt nicht besonders angegriffen, aber irgendwie will er sich innerlich nicht eingestehen, dass er demnächst neunzig wird. Er wird nicht so bald wieder
herumlaufen können, wie er denkt.« Sie schloss die Augen. Sicher
quälte sie der Gedanke, dass Noah möglicherweise nicht bei der
Hochzeitsfeier dabei sein würde.
»Aber du willst doch nicht, dass Anna die Hochzeit verschiebt, oder? Das hat er uns ja eindeutig verboten.«
Jane schüttelte den Kopf. »Ich hätte es vielleicht versucht, wenn er
sich nicht so unmissverständlich ausgedrückt hätte. Ich hoffe inständig, dass er nicht darauf besteht, weil er weiß, er wird bald…«
Sie verstummte. Aber ich wusste genau, was sie sagen wollte.
»… weil er weiß, er wird nicht mehr lange unter uns sein«, führte
sie den Satz zu Ende. »Ich möchte nicht, dass er denkt, die Hochzeit
soll das letzte große Fest sein, an dem er teilnimmt.«
»Ich glaube nicht, dass er das denkt. Er hat noch einige Jahre vor
sich.«
»Hört sich an, als wärst du davon überzeugt.«
»Bin ich auch! Für sein Alter ist Noah unglaublich robust. Denk
doch nur an die anderen Leute in Creekside! Die meisten gehen
kaum nach draußen und sehen nur noch fern.«
»Ja, aber er geht nur zum Teich, zu diesem blöden Schwan. Als wäre das so viel besser!«
»Es macht ihn glücklich.«
»Aber es tut ihm nicht gut!«, rief Jane aufgebracht. »Siehst du das
denn nicht? Mom lebt nicht mehr. Der Schwan hat nichts mit ihr zu
tun.«
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Also schwieg ich.
»Ich finde das völlig verrückt!«, fuhr Jane fort. »Dass er den
Schwan füttert - meinetwegen, das ist ja in Ordnung. Aber dass er
denkt, Moms Geist sei irgendwie zurückgekommen - das ist doch
blanker Unsinn!« Sie verschränkte die Arme. »Ich habe gehört, wie
er mit dem Schwan redet. Schon öfter. Er unterhält sich ganz normal
mit ihm, als könnte der ihn verstehen! Kate und David haben ihn
auch schon dabei erwischt. Und du genauso, das weiß ich.«
Sie fixierte mich vorwurfsvoll.
»Ja, stimmt.«
»Und? Beunruhigt es dich nicht?«
Ich verlagerte mein Gewicht. »Ich glaube, dass Noah das im Moment braucht.«
»Wie meinst du das?«
»Er muss glauben können, dass es so ist.«
»Aber warum?«
»Weil er sie liebt. Weil sie ihm fehlt.«
Janes Lippen zitterten. »Mir geht es genauso.« Aber schon als sie
das sagte, wussten wir beide, dass es nicht das Gleiche war.
Obwohl Jane und ich durch die Ereignisse der letzten Stunden wie
ausgelaugt waren, hatten wir keine Lust, direkt nach Hause zu fahren. Jane erklärte, sie komme fast um vor Hunger. Also beschlossen
wir, zu einem späten Abendessen ins Chelsea zu gehen.
Noch ehe wir das Restaurant betraten, hörte ich John Peterson am
Klavier. Da er ein paar Wochen in der Stadt war, spielte er hier jedes
Wochenende. An normalen Werktagen trat er jedoch nur selten auf.
Aber heute war offenbar solch ein Abend. Die Tische um den Flügel
herum waren alle besetzt, und auch an der Bar drängten sich die
Menschen.
Wir nahmen oben auf der Galerie Platz, wo nur ein paar Gäste saßen, weit weg von der Musik und vom allgemeinen Gewimmel. Zu
meiner Verblüffung bestellte Jane mit ihrer Vorspeise ein zweites
Glas Wein. Wahrscheinlich hoffte sie, so die angestaute Spannung
loszuwerden.
»Was hat Daddy eigentlich gesagt, als du allein bei ihm warst?«,
fragte Jane, während sie sorgfältig eine Gräte aus ihrem Fisch entfernte.
»Nicht viel«, antwortete ich. »Ich habe ihn gefragt, wie es ihm geht
und was genau passiert ist. Im

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