Ein Tag wie ein Leben
nächste Mal musst du
einfach sitzen bleiben, bis jemand kommt und dich holt. Ich bin mir
sicher, dass dich immer jemand findet.«
»Na ja - so hat mich auch jemand gefunden«, knurrte Noah.
Jane schüttelte sein Kopfkissen auf. »Du hast ziemlich lange da
draußen gelegen, stimmt das? Mich macht es ganz krank, wenn ich
mir vorstelle, dass dich nicht gleich jemand entdeckt hat.«
Noah schüttelte den Kopf. »Ach, es waren höchstens zwei Stunden,
nehme ich an.«
»Zwei Stunden!«, riefen Jane und Kate im Chor und tauschten entsetzte Blicke.
»Vielleicht war’s auch ein bisschen länger. Ich kann es schlecht sagen, weil die Sonne hinter den Wolken war.«
»Noch länger?« Janes Hände verkrampften sich.
»Und ich war völlig durchnässt. Ich denke, es hat geregnet. Aber
vielleicht war es auch nur der Rasensprenger.«
»Du hättest dir den Tod holen können!«, rief Kate bestürzt.
»So furchtbar war es doch gar nicht. Ein bisschen Wasser hat noch
keinem geschadet. Am unangenehmsten war der Anblick des
Waschbären, als ich wieder zu mir gekommen bin. Er hat mich so
komisch angestarrt, dass ich dachte, er hat sicher Tollwut. Und dann
ist er plötzlich auf mich losgegangen.«
»Du bist von einem Waschbären angegriffen worden?« Jane sah
aus, als würde sie gleich in Ohnmacht fallen.
»Nein, nein, er hat mich nicht richtig angegriffen. Ich habe ihn vertrieben, noch bevor er zubeißen konnte.«
»Er wollte dich beißen?« Kate war fassungslos.
»Ach, das ist doch alles gar nicht gefährlich. Ich habe schon öfter
Waschbären vertrieben.«
Kate und Jane schauten sich mit verstörten Gesichtern an und blickten sich dann Hilfe suchend nach ihren Brüdern um. Niemand brachte ein Wort heraus - bis ihnen auffiel, dass Noah grinste. Er deutete
mit dem Finger auf sie und zwinkerte vergnügt. »Reingefallen!«
Ich musste mich beherrschen, um nicht laut herauszuplatzen. Auch
Anna hatte sichtlich Mühe, ein ernstes Gesicht zu bewahren.
»Du darfst uns doch nicht anschwindeln!«, rief Kate empört und
klopfte mit der Hand seitlich aufs Bett.
»Ja, Daddy, das ist nicht nett«, fügte Jane hinzu.
Noah kniff belustigt die Augen zusammen. »Ich konnte einfach
nicht anders. Das habt ihr euch selbst zuzuschreiben. Aber nun
Schluss mit dem grausamen Spiel - sie haben mich nach ein paar
Minuten gefunden. Mir ist nichts Schlimmes zugestoßen. Ich habe
gesagt, ich könnte selbst zum Krankenhaus fahren, aber die Schwestern haben darauf bestanden, die Ambulanz zu rufen.«
»Du hättest unmöglich selbst fahren können! Du hast doch gar keinen gültigen Führerschein mehr.«
»Das heißt noch lange nicht, dass ich nicht mehr fahren kann. Und
mein Wagen steht außerdem immer noch auf dem Parkplatz.«
Die Töchter sagten zwar nichts, aber ich sah ihnen an, dass sie insgeheim beschlossen, ihm so bald wie möglich die Autoschlüssel abzunehmen.
Jeff räusperte sich. »Vielleicht solltest du so einen Alarm am
Handgelenk tragen. Wenn dann etwas passiert, kannst du sofort Hilfe
rufen.«
»Ach, papperlapapp! Ich bin doch nur über eine Wurzel gestolpert!
Beim Hinfallen hätte ich sowieso keine Zeit mehr gehabt, auf irgendeinen Knopf zu drücken. Und als ich wieder zu mir kam, war die
Schwester schon bei mir.«
»Ich muss mal dringend mit der Heimleitung sprechen«, sagte David grimmig. »Wenn sie diese Wurzel nicht entfernen lassen, mache
ich das höchstpersönlich!«
»Ich helfe dir dabei«, meldete sich Grayson.
»Es ist doch nicht die Schuld der Heimleitung, dass ich alt und tatterig werde. In ein, zwei Tagen bin ich wieder in Form, und am Wochenende werde ich topfit sein.«
»Mach dir deswegen keine Gedanken«, sagte Anna. »Werd einfach
nur wieder gesund, versprochen?«
»Und pass gut auf dich auf«, drängte Kate. »Wir machen uns alle
solche Sorgen um dich!«
»Ja, wir sind fast gestorben vor Angst!«, wiederholte Jane.
Da waren sie wieder, die Glucken. Ich lächelte in mich hinein. Noah hatte mit seiner Beschreibung genau ins Schwarze getroffen.
»Keine Bange, das wird schon«, sagte Noah. »Und kommt ja nicht
auf die Idee, meinetwegen die Hochzeit abzusagen. Ich freue mich
sehr darauf und möchte nicht, dass jemand denkt, so eine kleine Beule am Kopf könnte mich einschüchtern.«
»Das ist doch jetzt gar nicht wichtig«, entgegnete Jeff.
»Er hat Recht, Grampa«, stimmte Anna ihm zu.
»Und ihr sollt sie auch nicht auf später verschieben«, sagte Noah.
»Aber Daddy!«, rief Kate. »Du musst hier im Krankenhaus bleiben,
Weitere Kostenlose Bücher