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Ein Teelöffel Land und Meer

Ein Teelöffel Land und Meer

Titel: Ein Teelöffel Land und Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dina Nayeri
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nach oben. »Was mein ist, gehört Ihnen … Ehsan-dschan, wenn Sie erst in mein Alter kommen, werden Sie wissen, wie hoch der Preis ist, den ein Mann in seinen letzten Jahren für etwas Glück zahlt.«
    Agha Hafezi nickt, als er mit den Bedingungen zufrieden ist. Saba atmet aus. Jetzt, da sie ihre Zukunft fest im Griff hat, kommt ihr der Moment nicht mehr so übel oder bedrohlich vor. Es ist der Entschluss einer logisch denkenden und zukunftsgewandten Frau – einer amerikanischen Wissenschaftlerin oder Geschäftsfrau, so gänzlich anders als ihr jugendliches Ich. Von jetzt an wird sich Saba Hafezi ein bisschen weniger wie Ponneh benehmen, die für ihre Schönheit geschlagen wird und machtlos darauf wartet, dass sich etwas ändert, und ein bisschen mehr wie die Schwester, die zahllose Teelöffel Wasser entfernt die Welt erobert.
    Später, als Reza kommt, um ihr zu gratulieren, lächelt Saba eisig. Mit den Augen macht sie ihm so viele Dinge zum Vorwurf. Er ist schwach gewesen, alles andere als ein Held. Ist doch egal, dass sie vielleicht nie wieder Rezas warme, kratzige Haut berühren wird. Es wäre schlechter gewesen, ihn zu heiraten. Sich selbst zu schaden hat nichts Romantisches an sich. Von jetzt an wird Saba ihr Herz von nutzlosen Sehnsüchten frei machen. Sie wird Herrin ihrer eigenen Gefühle sein und diesen alten Mann zum Mittelpunkt ihrer Welt machen. Sie wird das Gute in ihm sehen und jede Enttäuschung abwehren. Sie wird sich vor einer Schwangerschaft schützen; Kinder würden sie für immer an den Iran binden und es schwierig machen, je wieder zu heiraten. Vor ihr liegen glückliche Tage, und hinterher wird sie neue Träume finden.
    Das eisige Lächeln bleibt tagelang auf ihrem Gesicht, selbst dann noch, als die Frauen sie mit Goldschmuck und Henna und
noghl
-Zuckermandeln für ihre Hochzeit vorbereiten. Und als sie in ihrem Hochzeitskleid unter einem Baldachin neben Abbas sitzt, lässt sie den Rausch von persischen Sitten und Gebräuchen über sich ergehen und versucht, älter auszusehen, selbstsicher.
Eine schöne Frau wird immer mit dem Gesetz in Konflikt geraten
, hat Khanom Basir einmal gesagt. Saba erwidert stumm:
Aber eine kluge Frau macht ihre eigenen Regeln
, und sie schaut Abbas an, während Khanom Alborz und Khanom Basir Süße auf ihre Ehe regnen lassen, indem sie über ihren Köpfen eine gefühlte Ewigkeit lang zwei große Zuckerhüte aneinanderreiben.

Tagebuchaufzeichnungen
    Dr. Zohreh
    A ls meine Freundin Bahareh anrief, eilte ich ins Krankenhaus von Rasht, um ihre Tochter zu untersuchen, obwohl kindliche Traumata nicht mein Spezialgebiet sind. Das war kurz nach der Revolution und dem Ausbruch des Krieges … Ich glaube, irgendwann 1981.
    Wie ich erwartet hatte, wusste Saba noch nichts vom Tod ihrer Schwester und fragte unablässig nach ihr. Ich erklärte Bahareh, dass sie ihrer Tochter bald die Wahrheit sagen müsste, doch meine Freundin wollte nichts davon hören. Sie sagte, es wäre vielleicht besser, Saba im Ungewissen zu lassen, bis sie beide in Amerika einen Neuanfang machen könnten, ein Gedanke, der mir absurd erschien, weil er nur zu einer doppelten Dosis Stress führen würde. Saba befand sich im Delirium, und wahrscheinlich
wusste
sie es in einem Teil ihres Bewusstseins bereits. Aber Bahareh meinte, sie wolle die Situation einfach halten. Sie glaubte, dass es Saba helfen würde, sich ihr Leben in zwei Teilen vorzustellen, sämtliche Bindungen auf einmal zu durchtrennen.
    Ich empfand, wie ich zugeben muss, tiefes Mitleid mit meiner Freundin, die immer mehr Anzeichen eines obsessiven Verhaltens zeigte. Sie sagte mit einer wirren, beinahe manischen Stimme: »Das muss Gottes Plan sein. Saba wird etwas Wunderbares aus ihrem Leben machen. Meine Aufgabe ist nur, ihr die Voraussetzungen dafür zu schaffen.« Bahareh war immer besessen davon, ihren Kindern die Welt zu Füßen zu legen, und sie hatte schon länger geplant, sie in den USA zu erziehen. Das war ihre größte Stärke. Sie war bereit, in einer Massenpanik zu sterben, nur um die Köpfe ihrer Töchter einen Zentimeter über die Menge zu erheben.
    Später fragte Saba mich, ob ich an Himmel und Hölle glaube, und ich sagte, niemand könne ganz sicher sein, ob es sie gibt. Dann fragte sie, ob ich an Amerika glaube, und ich antwortete, ja,
das
ist ein durchaus realer Ort. Die Antwort schien ihr zu gefallen. Ich wüsste zu gern, was genau mit Bahareh an dem Tag passiert ist, als sie versuchten auszureisen. Ihr Mann hat mir

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