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Ein toedlicher Plan

Titel: Ein toedlicher Plan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Deaver
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einsames Abendessen hergerichtet: ein teurer, wenn auch angeschlagener Porzellanteller, schweres Silberbesteck und ein Weinglas. Auf dem Teller lag eine zusammengerollte und gestärkte weiße Serviette in einem roten Plastikring. Letzterer wirkte auffällig fehl am Platz. Sie nahm ihn in die Hand. So etwas fand man in den Souvenirläden am Times Square, wo Touristen Tassen, Schüsseln oder winzige Nummernschilder kauften.
    Sie drehte den Ring um. Unten hatte man ohne viel Liebe den Namen Poppie eingestanzt.
    Einhundertundzwanzig.
    Donald Burdick stand an seinem Fenster und fragte sich, wie viel Grad des Panoramakreises er von seinem Eckbüro aus überblicken konnte.
    Hundertzwanzig Grad, schätzte er, vielleicht hundertfünfundzwanzig. Von den Türmen des World Trade Center mochten es etwa tausend Meter bis zur Verrazano Bridge sein. Er betrachtete das Häusermeer im trüben Tageslicht und erinnerte sich, wie sehr die Skyline sich in seinen Jahrzehnten bei Hubbard, White & Willis verändert hatte. In etwa dem gleichen Maße, in dem der Stil der Wall Street sich gewandelt hatte. Man zeigte mehr Ellbogen. Das Leben hier verlief nicht mehr so, wie es einmal gewesen war. Dunkel und freudlos ächzte es unter der furchtbaren, alles erdrückenden Last von unfassbarem Reichtum, der außer Kontrolle geraten war. Von den neueren Gebäuden vor ihm ging etwas ganz anderes aus als von den alten. Sie präsentierten eine gewandtere Art der Macht, eine, die subtiler war. Ausladende Gebilde voller Glas, Pastellfarben und Marmor.
    Genauso wie Hubbard, White & Willis.
    All die Veränderungen, die sich vollzogen hatten – er hatte sie von erhöhten Punkten wie diesem hier seine ganze Laufbahn über verfolgt. Burdick sagte immer, er begrüße den Wandel. Fort mit dem Alten, macht Platz für das Neue.
    Aber jetzt war er selbst alt und derjenige, der Platz machen musste.
    Die Partner von Hubbard, White & Willis hatten mit achtundfünfzig gegen vierundzwanzig Stimmen (zwei fehlten entschuldigt) beschlossen, der Fusion mit der Kanzlei Sullivan & Perelli grundsätzlich zuzustimmen. Wendall Clayton war zum Vorsitzenden des Fusionskomitees gewählt worden.
    Damit war die Sache entschieden.
    Burdick lehnte sich in seinem Sessel zurück. Das gute Stück verbreitete nicht mehr den angenehmen Geruch von Leder. War es dafür zu alt geworden, oder lag es an seinen eigenen Jahren? Nahmen seine Sinne nicht mehr alles so genau wahr? Wurde er schwach und gebrechlich?
    Nun, er hatte sein Bestes gegeben. Und, Herrgott noch mal, es war einfacher gewesen, die Sache mit dem Appellationsgericht abzubiegen, als die noch nötigen Neinstimmen zu erhalten.
    Verdammter Scheißkerl!
    Er stellte sich die Viertagewochen und die darauf folgenden halben Wochen vor, die ihn erwarteten. Und dabei würde er zusehen müssen, wie ihm ein Klient nach dem anderen abgenommen wurde und wie Clayton und die jüngeren Männer die Kanzlei übernahmen – allesamt sowohl Anwälte als auch Verkaufs- oder Marketingexperten oder Public-Relations-Spezialisten. Seine Klienten riefen andere Mitarbeiter der Kanzlei an, um von ihnen juristischen Rat und Beistand zu erhalten. Er sah die Zeit schon vor sich, da sich die Minuten im Büro zu Stunden dehnten und die Stunden kein Ende nehmen wollten. Verschwendete Zeit, so stumpfsinnig wie der Besuch eines Heimatmuseums in einer Kleinstadt an einem Sonntagnachmittag. Vergeudete Stunden. Er fürchtete sich vor diesen Arbeitstagen so sehr wie vor der Zeit, die ihn erwartete, wenn Vera vor ihm sterben sollte. Und plötzlich überkam ihn ein Drang, wie er ihn seit dem Tod seines Sohnes vor ein paar Jahren nicht mehr verspürt hatte: Er wollte losheulen.
    Burdick ballte die Fäuste. Dann hustete er und räusperte sich. Schließlich erhob er sich und ging hinaus auf den Flur.
    Bill Stanley entdeckte Burdick und winkte ihn zu sich in sein in vornehmem Grün gehaltenes Büro. Er lächelte, und bei ihm sah das so aus, als habe er Schmerzen. »Tja, Don, hat nicht ganz gereicht, was?«
    »Ist doch wohl nicht mehr zu früh dafür, oder?« Er trat an Stanleys Sekretär, öffnete ihn und füllte zwei Gläser mit Brandy.
    »Ich habe eigentlich auch nicht mit einem anderen Ergebnis gerechnet, du etwa?«, fragte Stanley mit einer für ihn uncharakteristischen Heiterkeit und nahm seinen Schwenker.
    »Ich war mir nicht ganz sicher.«
    »Zumindest wissen wir jetzt, wer unsere wahren Freunde sind und wer unsere Feinde.«
    Burdick hielt sein Glas zwischen beiden

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