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Ein toedlicher Plan

Titel: Ein toedlicher Plan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Deaver
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genannt?«
    Sein bleicher, zu fetter Unterkiefer zitterte. »Sie sagten, die Finanzlage lasse es nicht zu. ›Die Haushaltslage sieht nicht sehr rosig aus‹– das waren ihre Worte. Aber das ist nicht der wirkliche Grund.« Er drehte sich zu ihr. »Sehen Sie mich an …« Taylor tat ihm den Gefallen, und er fuhr fort: »Was, glauben Sie, habe ich für eine Ausbildung hinter mir?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Phillips Exeter, Princeton, Yale … nein, eher Harvard.«
    »Genau.« Er lächelte säuerlich. »Bei einem von den dreien liegen Sie nicht ganz richtig. Gut, ich war in Harvard. Aber ich bin nicht wie die anderen dorthin gekommen, sondern nur dank harter Arbeit. Die Schule habe ich mit siebenundachtzig Punkten abgeschlossen, und auf dem Ohio State College hatte ich am Ende drei Komma sieben. Und ich bin auf die St. Mark’s High School gegangen. Verstehen Sie, ich passe nicht ins Bild von Hubbard, White & Willis. Ich bin ein Junge aus der Provinz. Ich habe mich durchs Studium geackert. Die obligatorische Reise nach Europa habe ich selbst bezahlt. Und ich bin da nicht mit dem Rucksack herumgezogen, weil es cool war, sondern weil ich mir nichts anderes leisten konnte.« Sebastian nahm eine Serviette vom Tresen und putzte sich die Nase. »Ich verabscheue Selbstmitleid«, erklärte er dann, »doch nicht immer.«
    »Aber beschissen ist es trotzdem«, sagte Taylor, »ich meine, dass in Ihren Adern nicht das richtige blaue Blut fließt.«
    »Tja, und genau das ist für Wendall entscheidend.«
    »Wendall Clayton? Was hat der denn damit zu tun?«
    »Ich gehöre nicht zu seinem inneren Kreis. Die meisten, die in diesem Jahr das große Partnerlos gezogen haben, stammen aus seiner Truppe.«
    »Aber Clayton ist ja nicht einmal im Aufsichtsrat!«, entfuhr es Taylor.
    »Ha, das stört einen wie ihn doch nicht. Er besitzt zehnmal mehr Macht und Einfluss, als Burdick und Stanley glauben. Und Wendall wird die Fusion durchboxen, koste es, was es wolle.«
    »Die Fusion? Das ist doch nur ein Gerücht, das seit ein paar Wochen die Runde macht.«
    Sebastian starrte sie an, als könnte er nicht fassen, wie naiv sie war. »Bloß ein Gerücht? Wenn Sie das glauben, wissen Sie überhaupt nichts von Wendall Clayton. Warten Sie nur ein Jahr ab, dann erkennen Sie unsere Kanzlei nicht mehr wieder …« Seine Stimme erstarb. »Unsere Kanzlei – ich sollte sagen, Ihre Kanzlei. Meine ist sie dann schon lange nicht mehr.«
    »Was wollen Sie denn jetzt tun?«
    »Sie behalten mich noch, bis ich was Neues gefunden habe. Vermutlich bekomme ich eine Abfindung in Höhe eines Jahresgehalts.«
    »Aber warum arbeiten Sie dann noch so hart?«, fragte Taylor und wich seinem Blick aus. »Ich meine, Sie machen immer noch haufenweise Überstunden. Letzten Samstag haben Sie doch auch gearbeitet, oder?«
    Er zögerte einen Moment. »Ich? Am Samstag? Nein, da bin ich die ganze Nacht hier gewesen.«
    Taylor runzelte die Stirn. »Ich bin mir aber ziemlich sicher. Ich habe ein paar Sachen recherchiert für, ach, ist ja egal, hab’s vergessen, und dabei ist mir auf der Liste Ihr Computerschlüsselcode aufgefallen.«
    Er schaute sie lange an. Seiner Miene war nicht anzusehen, was er dachte, aber Taylor spürte, dass er angestrengt überlegte. Dann schüttelte er langsam den Kopf und sagte: »Ralph Dudley.«
    »Grandpa?«
    »Genau der. Er hatte meinen Schlüssel die ganze Woche. Gestern hat er ihn mir zurückgegeben und erzählt, er habe ihn in der Bibliothek gefunden.« Sebastian blickte wieder in Richtung Herrentoilette und lächelte. »Entschuldigen Sie mich bitte noch mal kurz.«
    Als er verschwunden war, winkte Taylor den Barkeeper zu sich. »Haben Sie letzten Samstag hier gearbeitet?«
    Anscheinend wurde er so was normalerweise nicht gefragt. Er polierte weiter Gläser und brummte: »Ja.«
    »War Thom auch hier?«
    »Kann mich nicht erinnern.«
    Sie hielt ihm zwei Zwanziger hin. Er blinzelte. So etwas geschah normalerweise nur in Filmen, und er schien jetzt zu überlegen, wie sein Lieblingsschauspieler auf eine solche Offerte reagieren würde. Einen Moment später verschwanden die Scheine in seinen engen schwarzen Jeans. »Wenn ich mich recht entsinne, war er nicht hier. Hab mich schon gewundert.«
    »Aber sonst kommt er häufiger samstags.«
    »Da kann man die Uhr nach stellen.«
    Als Sebastian zurückkehrte, hängte er ihr die Handtasche über die Schulter und klemmte sie zusätzlich unter ihren Arm, so wie das paranoide Touristen zu tun pflegen.

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