Ein toedlicher Plan
Verstehen Sie, nach seinen Initialen A-L-P. Aber wir leben in der Zeit der figurativen Namen, und so nennt man ihn eben Bosk. Seine Eltern leben praktisch seit seiner Geburt getrennt. Seine Mutter wohnt in einem Haus in Boston, sein Vater hat ein Apartment an der Upper East Side. Die Familie besitzt ein Sommeranwesen in den Hamptons, zu dem wir gerade unterwegs sind, und das nutzen die Eltern abwechselnd. Sie können nicht miteinander reden, ohne dass es zu einem Gemetzel kommt. Deshalb haben sie ihre jeweiligen Anwälte beauftragt, Zeitpläne für die Nutzung des Sommerhauses auszuarbeiten.«
»Wer ist denn an diesem Wochenende dran, er oder sie?«
»Seine Mutter.«
»Hört sich ja an, als würde uns ein Riesenspaß erwarten. Wie ist sie denn so? Eine Grande Dame oder eine alte Giftspritze?«
»Ich verrate nur so viel: Sie ist sonderbarer als er.«
»Und was tut er so?«
»Nun, vor allem ist er stinkreich. Bosks Vater ist Seniorpartner bei Ludlum Morgan, der Investmentbank.«
»Arbeitet Bosk auch dort? Tut mir Leid, aber jedes Mal, wenn ich diesen Namen ausspreche, habe ich das dringende Bedürfnis, ihm wie einem Hund einen Knochen zu geben.«
»Das wird er eines Tages. Momentan sitzt er seine Zeit bei Richards & Levitt ab. Danach wechselt er auf direktem Weg zu Ludlum über, um dort für zweihundertfünfzigtausend im Jahr plus Beteiligung anzufangen.«
»Das Leben kann ganz schön hart sein.«
»Urteilen Sie nicht zu streng. Er ist nicht mehr der Jüngste, immerhin schon achtundzwanzig.«
Taylor wechselte lieber das Thema. »Könnte ich jetzt ein Bier haben?«
Thom öffnete eine Dose und reichte sie ihr.
»Und was macht seine Mutter?«
»Ada reist viel, gibt Gesellschaften und tut ansonsten das, was eine fünfundfünfzigjährige Verbindungsstudentin aus gutem Hause zu tun pflegt – sie verwaltet ihr Aktienpaket. Schätzwert: sechzig Millionen.« Sebastian trank sein Bier aus und drückte Taylors Knie. »O Mann, Taylor, das wird ein affengeiles Wochenende. Wir kiffen uns zu, lassen uns voll laufen und veranstalten dann in der Badewanne eine Riesenorgie …«
»Thom!« Sie nahm seine klobige Hand von ihrem Knie.
»… oder wir lesen gemeinsam in der Bibel und helfen der Dame des Hauses dabei, vor dem Altar Kerzen aufzustellen.« Er genehmigte sich ein weiteres Bier. »Oh, das wird die Supershow des Jahrhunderts!«
Das Familienanwesen präsentierte sich als dreigeschossiges viktorianisches Landhaus. Die Fassaden waren weiß gestrichen, die Simse und Ränder blau. Skelettartige Ranken von wildem Wein und Glyzinen überzogen die Mauern. Ein mit Spitzen versehener schmiedeeiserner Zaun umgab ein labyrinthartiges Grundstück. Einen Großteil des Geländes hatte ein Gewirr von Forsythien in Besitz genommen, an denen die letzten braunen und gelben Reste des einstigen Blättergewands hingen.
»Die Addams Family«, entfuhr es Taylor.
Die halbkreisförmige Auffahrt war so gut wie zugeparkt. Die Limousine hielt an, und die beiden stiegen aus. »O mein Gott, hier bekommt man ja mehr deutsche Autos als in Brasilien zu sehen«, sagte Sebastian. Der Chauffeur trug ihre Koffer zur Haustür.
»Eine Veranda!«, rief Taylor aus. »Ich liebe Veranden.« Sie setzte sich auf eine Schaukel und schwang vor und zurück. »Schade, es müsste zwanzig Grad wärmer sein.«
Sebastian warf sich seine Reisetasche über den Rücken und nahm ihren Koffer. »Ich bringe die Sachen rasch hinauf in unser Zimmer.«
»Mehrzahl.«
»Also gut, ich bringe die Sachen rasch hinauf in unsere Mehrzahl.«
Er läutete an der Tür. Eine Frau Ende fünfzig, die ihr blondes Haar wie Jackie Kennedy trug, öffnete ihm. Sie hatte ein hellgrünes Kleid an, das mit rosafarbenen und schwarzen Dreiecken bestickt war, die fieberhaft in alle möglichen Richtungen wiesen. Um ihren Hals hatte sie einen schwarzweißen Schal geschlungen. Ihr langes, glänzendes Gesicht wirkte, als wäre es nach unten abgesackt. Die hohen Wangenknochen hielten die Haut wie straff gespannte Segel. Die Augen der Frau strahlten jugendliche Frische aus, aber in ihnen lag auch etwas Befremdliches. Sie konzentrierten sich für einen Moment auf etwas, um dann rasch fortzublicken. Der Schmuck, den die Frau trug, hätte manchem Staat aus seiner Verschuldung herausgeholfen. Der blaue Topas an einem ihrer gebräunten, faltigen Finger hatte sicher seine fünfzig Karat und war in einen dicken Platinring eingelassen.
»Thomas!« Die beiden drückten kurz ihre Wangen aneinander, dann
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