Ein toedlicher Verehrer
es sie nicht überrascht hätte, wenn er jemanden als »nicht satisfaktionsfähig« bezeichnet hätte. Solche Ausdrücke aus seinem Mund zu hören war fast, als würden die Richter vom obersten Verfassungsgericht auf den Stufen zum Capitol rappen.
»Meine Enkel.«
»Ach so.« Barbaras beide Kinder waren fünfzehn und neunzehn; das erklärte vieles. Sarah weidete sich kurz an der Vorstellung, wie die fünfzehnjährige Blair mit ihren gepiercten Augenbrauen dem ehrwürdigen alten Richter die hippsten Teenager-Beleidigungen beizubringen versuchte.
»Wenn ich nicht aufpasse, füttern Sie mich noch mit Tofu«, grummelte er, in Gedanken wieder bei seinem gepanschten
Essen. Trotzdem machte er sich über den French Toast her, rote Punkte hin oder her.
Da die Köchin ihn schon seit Monaten mit geschickt verstecktem Tofu fütterte, musste sich Sarah ein Grinsen verkneifen.
»Was ist Tofu eigentlich?«
»Quark und Molke, aber ohne die Molke. Sojabohnenquark, um genau zu sein.«
»Klingt ja widerlich.« Er musterte den Speckersatz auf seinem Teller. »Aber mein Speck besteht nicht aus Tofu, oder?«
»Ich glaube nicht. Ich glaube, das ist einfach bloß Putenfleisch.«
»Na dann.«
Sie hätte ihn auf seinen weißhaarigen Scheitel küssen können, wenn das nicht absolut ihrer Ausbildung widersprochen hätte. Er war einfach süß, wie er so tapfer seinen Speckersatz aß, während er gleichzeitig mit scharfem Blick nach irgendwelchem untergemischten Tofu Ausschau hielt.
»Was haben Sie dem Schleimscheißer erzählt?«
»Ich habe ihm für das Angebot gedankt und ihm erklärt, dass ich in meiner derzeitigen Stellung sehr zufrieden bin.«
Seine hellen Augen strahlten durch die Brillengläser. »Sie meinen, er hat Sie im Fernsehen gesehen?«
»Entweder das, oder einer Ihrer Freunde hat meinen Namen weitergegeben.«
»Aber von denen war es keiner, oder?«, erkundigte er sich misstrauisch.
»Nein, der Name sagte mir nichts.«
»Vielleicht ist es ja ein junger hübscher Mann, der sich auf den ersten Blick in Sie verliebt hat.«
Sie konnte gerade noch ein ungläubiges Schnauben unter-
drücken. »Wer einer Unbekannten eine Stelle anbietet, ohne ihre Qualifikation zu kennen oder Referenzen zu haben, ist ein Idiot.«
»Immer raus mit der Sprache, Sarah; lassen Sie hören, was angesagt ist.«
Diesmal musste sie wirklich lachen. Auch diese Phrase musste von Blair stammen.
»Sie sollten sich die Stelle wenigstens anschauen«, sagte er zu ihrer Überraschung.
Sie blieb unvermittelt stehen und starrte ihn an. »Wieso denn?«
»Weil ich alt bin und nicht mehr viele Jahre zu leben habe. Vielleicht ist das ja eine gute Gelegenheit, und vielleicht bietet er ein anständiges Gehalt.«
»Das tut er, aber das ist unwichtig. Falls Sie mich nicht vorher feuern, beabsichtige ich, genauso lange in diesem Haus zu bleiben wie Sie.«
»Aber mehr Geld könnte Ihnen bei Ihrem Plan helfen.« Als sie ihm von ihrem Traum erzählt hatte, ein Jahr Pause einzulegen und um die Welt zu reisen, hatte er sich augenblicklich für die Idee begeistert, den Atlas hervorgezogen und in den verschiedensten Ländern nach interessanten Reisezielen gesucht.
»Meinem Plan geht es ausgezeichnet, und außerdem sind Menschen wichtiger als Pläne.«
»Vergeben Sie einem alten Mann, wenn er persönlich wird, aber Sie sind eine ganz bezaubernde junge Frau. Was ist mit einem Mann und einer Familie?«
»Auch die werde ich hoffentlich irgendwann haben, aber damit hat es keine Eile. Und falls ich nicht heiraten sollte, kann ich trotzdem mein Leben genießen und habe Spaß an meinem Beruf. Ich bin zufrieden mit mir selbst, und das ist gar nicht so schlecht.«
»Nein, ist es nicht. Im Gegenteil, es ist eine seltene Gnade.« Er musterte sie mit einem nachdenklichen Lächeln. »Wenn Sie erst verheiratet sind - und ich sage wenn , nicht falls , weil Sie eines Tages einen Mann kennen lernen werden, der zu schlau ist, um sie wieder laufen zu lassen -, dann sollte er jeden Morgen niederknien und Gott für sein Glück danken.«
Am liebsten hätte sie ihn umarmt. Stattdessen sagte sie lächelnd: »Vielen Dank für das bezaubernde Kompliment. Glauben Sie, er würde Gott auch auf Knien danken, wenn ich ihn mit Tofu füttern würde?«
»Er würde wissen, dass es nur zu seinem Besten ist.« Der galanten Erwiderung zum Trotz musterte er kritisch seinen leeren Teller.
»Ehrenwort: kein Tofu in Ihrem French Toast.«
Er seufzte erleichtert und begann die Erdbeeren zu essen,
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