Ein toedlicher Verehrer
Geld? Mancher würde zögern, ein Haus zu kaufen, in dem ein Mord geschehen war, aber die Lage und das Haus selbst würden dies wahrscheinlich mehr als ausgleichen. Sarah glaubte kaum, dass es einen vollen Monat auf dem Markt bleiben würde, ohne dass jemand Zugriff. Für sie war es die perfekte Zwischenlösung: sie konnte sich Zeit lassen bei der Suche nach einer neuen Stellung, ohne dass sie ihre Ersparnisse angreifen musste. Sie würde nicht überstürzt packen müssen, sondern auch das in aller Ruhe erledigen können. Statt abrupt aus der alten Umgebung gerissen zu werden, konnte sie sich ganz gemächlich einen neuen Job, eine neue Unterkunft, eine neue Aufgabe suchen.
»Ich nehme an, Sie möchten, dass der Garten weiterhin gepflegt und das Haus regelmäßig geputzt wird.«
»Aber natürlich; das Haus erzielt sicher einen besseren Preis, wenn es gepflegt aussieht. Ich kann mir kaum vorstellen, es zu verkaufen«, bekannte Barbara melancholisch. »Daddy hat fast fünfzig Jahre darin gewohnt. Ich bin dort aufgewachsen. Es ist ein wunderschönes altes Haus voller Erinnerungen, und er hat es wirklich liebevoll gepflegt. Mutter hat es selbst entworfen, müssen Sie wissen. Es war ihr Traumhaus.«
»Aber können Sie es nicht in der Familie halten?«
»Ich glaube nicht. Keiner von uns will wieder herziehen, und die Grundsteuern sind natürlich horrend, selbst wenn wir sie durch drei teilen. Wir werden das Haus verkaufen müssen, um sie zu bezahlen. Keiner von uns ist so reich, dass er das Haus halten und obendrein die Erbschaftssteuern bezahlen könnte.
Ich weiß, dass Daddy es gerne einem von uns vermacht hätte, aber so wie die Dinge liegen -« Sie zuckte hilflos mit den Achseln und wechselte das Thema.
»Wenn uns die Polizei morgen ins Haus lässt, werden Randall, Jon und ich einige Erinnerungsstücke auswählen. Natürlich hat Daddy das Erbe in groben Zügen aufgeteilt, aber es gibt noch ein paar Kleinigkeiten, die wir gern haben würden. Randall und Jon können ihre Sachen mit heim nehmen, sie sind ja mit dem Wagen gekommen, aber könnten Sie mir meine einpacken und schicken?«
Sarah zückte den kleinen Block, den sie stets in der Handtasche trug, und machte sich eine Notiz. »Möchten Sie, dass ich für morgen etwas zu essen besorge? Leona wird liebend gern alles kochen, was Sie möchten.«
Barbara überlegte kurz und schüttelte dann den Kopf. »Ich weiß nicht genau, wann wir kommen werden und wie lange wir brauchen, um alles durchzugehen. Ich weiß nicht mal, wie viele wir sein werden.«
»Ich könnte trotzdem etwas vorbereiten«, schlug Sarah vor. »Notfalls nur einen großen Topf Suppe und ein paar Sandwiches.«
»Das wäre fein. Oder wir könnten alle zusammen zu Milo’s gehen. Shaw beklagt sich schon, dass er noch keinen Hamburger bekommen hat.«
Bei dem Gedanken an Milo’s durchfuhr Sarah eine kleine, heiße Welle. Vielleicht würde sie eines Tages nicht mehr automatisch an Cahills Küsse denken, wenn jemand von Hamburgern sprach, aber einstweilen war in ihrem Gehirn das eine untrennbar mit dem anderen verwoben. Plötzlich verspürte auch sie eine unbändige Lust auf Hamburger.
Da sie noch länger in Mountain Brook bleiben würde, würde
sie ihn bestimmt Wiedersehen. Ob das nun gut oder schlecht war, konnte sie nicht sagen, aber die Vorstellung war aufregend.
Barbara wusste nicht, dass die Reinigungskolonne bereits im Haus war. Der Sonntagstarif war höher als der für Arbeiten unter der Woche, aber Sarah hielt das für durchaus gerechtfertigt, wenn die Angehörigen des Richters dafür schon morgen das Haus betreten konnten. Schließlich hatten Barbara und ihre Familie den Rückflug nach Dallas bereits für den Spätnachmittag gebucht. Sarah hatte vor, vom Wynfrey direkt zum Haus zu fahren, um nachzusehen, ob wirklich alle Flecken beseitigt waren, doch anschließend würde sie in ihr Hotel zurückkehren und dort die Nacht verbringen. Auch wenn ihre Einliegerwohnung vollständig vom Haupthaus getrennt lag, war sie noch nicht bereit, allein dort zu bleiben. Zurückzukehren würde nicht einfach werden, dachte sie.
War es wirklich nicht. Als sie abends dort eintraf, war die Reinigungskolonne schon wieder abgezogen, und sie musste sich überwinden, das Haus zu betreten, den Flur hinunterzugehen und in die Bibliothek zu schauen. Vor der Tür überkam sie die Erinnerung mit solcher Wucht, dass ihr die Knie zitterten; würde der Richter immer noch in seinem Lehnsessel liegen, würden sein Blut und
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