Ein toedlicher Verehrer
sein Hirn immer noch Wände und Teppich verschmutzen, wenn sie ins Zimmer sah? Würde der Geruch immer noch in der Luft hängen?
Nein, der Geruch hatte sich verzogen. Sonst hätte sie ihn längst bemerkt, oder etwa nicht? Der Gestank hatte alles durchdrungen, er hatte sich bis in den Flur geschlichen, ins Frühstückszimmer, in die Küche sogar. Jetzt roch sie nur Sauberkeit und Zitrusduft.
Sie nahm ihren gesamten Mut zusammen und trat in die Bibliothek. Die Reinigungsfirma hatte gute Arbeit an Boden und
Wänden geleistet; offensichtlich hatten sie den gesamten Teppichboden gereinigt, sodass man nicht einmal von den sauberen Stellen darauf schließen konnte, wo Flecken entfernt worden waren. Der Lehnsessel war verschwunden; sie hatte keine Ahnung, wo er abgeblieben war. Vielleicht hatte die Polizei ihn mitgenommen, obwohl sie sich beim besten Willen nicht vorstellen konnte, was sie dort damit anfangen wollten. Oder die Reinigungsfirma hatte ihn entfernt; vielleicht saß der Geruch zu tief im Leder.
Nach dem Lehnsessel würde sie sich morgen erkundigen. Möglicherweise stand er bloß in der Garage, doch das würde sie heute nicht mehr nachprüfen. Langsam wich sie rückwärts aus dem Zimmer, schaltete das Licht aus und schloss die Tür. Sie konnte sich nicht vorstellen, den Raum jemals wieder zu betreten, aus welchem Grund auch immer.
Seit Mittwoch hatte sie die Post nicht mehr kontrolliert, doch irgendwer, wahrscheinlich Cahill, hatte sie hereingeholt und auf der Kochinsel deponiert. Mit Sicherheit hatte er die Post durchgesehen, um festzustellen, ob etwas Verdächtiges darunter war, irgendein Brief, der einen zweiten Blick lohnte. Sie schaute den Stapel durch; falls irgendetwas Auffälliges dabei gewesen war, hatte Cahill es mitgenommen, denn sie sah nur die normalen Rechnungen, Kataloge und Zeitschriften.
Sie ließ die Post auf der Kochinsel liegen und ging nach oben in ihre Räume. Alles war leicht verräumt, verstellt; man hatte die Zimmer Zentimeter für Zentimeter durchsucht, im Grunde konnte sie sich glücklich schätzen, dass es noch relativ ordentlich aussah. Wenigstens waren die Schubladen nicht auf den Boden ausgekippt und liegen gelassen worden. Sie stellte die Bücher im Regal wieder senkrecht, rückte den Zeitschriftenstapel
zurecht, arrangierte die Topfpflanzen neu, drehte die Vase richtig herum und richtete die Bilder an der Wand aus.
Im Schlafzimmer hatte man ihr Bett abgezogen. Sie sammelte die Laken ein, um sie in die Wäsche zu stecken, und ging dann ins Bad, wo sie alles methodisch ordnete. Ihr Leben konnte sie zwar nicht zurückdrehen, aber sie konnte wenigstens ihre Wohnung wieder herrichten.
Sie legte frische Handtücher bereit und arrangierte ihre Kosmetika so, wie sie es gewohnt war.
Im Schlafzimmer machte sie erst das Bett, öffnete dann den Schrank und begann die Kleider zu sortieren, damit die Sachen, die sie am häufigsten trug, möglichst weit vorne hingen. Ihre Schuhe waren zu einem chaotischen Haufen aufgetürmt; sie holte alle heraus, hockte sich auf den Boden, stellte sie paarweise zusammen und reihte sie dann wieder akkurat unten auf dem Schrankboden auf.
Dass jemand ihre Unterwäsche durchwühlt hatte, setzte ihr am meisten zu. Sie war empfindlich mit ihrer Unterwäsche, was auf ihre beiden Brüder zurückzuführen war, die ihr gern Streiche gespielt hatten, indem sie ihre Slips versteckten oder ihre BHs zwischen eine Astgabel spannten, um sie als Schleuder zu verwenden. Ältere Brüder waren eine Pest. Inzwischen wünschte sie, sie hätte ein Video, wie Noel mit ihrem allerersten Spitzenhöschen auf dem Kopf herumtanzte; das hätte sie zu gern seinen Kameraden bei den Marines vorgeführt. Ihrer Schwester Jennifer hatten die Jungs nie solche Streiche gespielt, denn die wäre in Tränen ausgebrochen, was längst nicht so lustig war wie Sarah, die mit Feuer sprühenden Augen und Mordlust im Herzen hinter den beiden hergejagt war; wenn sie jemals einen von ihnen erwischt hätte, wäre sicher Blut geflossen.
Infolge dessen hatte Sarah ihre Unterwäsche jahrelang verstecken und an den unmöglichsten Orten verstauen müssen, damit Daniel und Noel sie nicht fanden. Erst nachdem die beiden ausgezogen waren, war für sie der lang ersehnte Traum einer eigenen Unterwäsche-Schublade in Erfüllung gegangen. Sie faltete grundsätzlich jedes Stück und legte die sexy Spitzen-Unterwäsche in eine eigene Schublade. Nach Farben sortierte sie ihre Wäsche nicht - das hätte sie
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