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Ein toedlicher Verehrer

Titel: Ein toedlicher Verehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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auch sein mochte, der Ungewissheit des Unbekannten vorzogen. Frauen blieben bei ihren prügelnden Ehemännern, nicht weil sie noch Hoffnung hatten, sondern weil sie Angst davor hatten, allein zu sein. Es war das große Unbekannte. Nur wirklich wagemutige - oder verzweifelte - Seelen brachen aus ihren festen Mustern aus.
    Menschen neigten dazu, Tag für Tag, Woche für Woche im gleichen Trott zu bleiben. Darum waren Menschen oft zur gleichen Zeit am gleichen Ort anzutreffen. Cahill rechnete nicht wirklich damit, dass der Mann auf dem Foto wieder auftauchen und vom gleichen Apparat aus telefonieren würde; aber vielleicht, nur vielleicht würde er in der Galleria auf irgendwen stoßen, der sich immer zu dieser Zeit dort aufhielt und auch in der Nacht des Mordes an Richter Roberts dort gewesen war, und dem etwas aufgefallen war... aber was nur? Irgendwas. Egal was.
    Keiner der Verkäufer in den verschiedenen Geschäften hatte etwas bemerkt, doch das Verkaufspersonal war darauf trainiert, das Geschehen im Laden im Auge zu behalten, nicht das Treiben auf der Passage draußen. Was aber war mit den Passanten, die draußen auf den Bänken saßen oder spazieren gingen, was war mit den Teenagern, die kichernd und scheinbar cool herumstreunten, und mit der jungen Frau, die mit dem Fuß ihren Kinderwagen vor und zurück schob, während sie gleichzeitig an einer Zimtschnecke knabberte? Waren diese Menschen jeden Abend hier? Jeden Mittwochabend? Wie sah ihr Alltagstrott aus?
    Und so ging Cahill, einer ungewissen Eingebung folgend, etwa zum Zeitpunkt des Anrufs in die Galleria und hielt jeden Passanten in der Nähe des Telefons auf, um ihm das Foto zu zeigen. Erscheint Ihnen dieser Mann irgendwie vertraut? Haben Sie jemanden gesehen, der ihm ähnelt? Haben Sie ihn vielleicht schon einmal in der Galleria gesehen?
    Seine Fragen brachten ihm eine Reihe zweifelnder Blicke, viele Neins und Kopfschütteln ein. Einige der Befragten warfen f nur einen flüchtigen Blick auf das Foto, bevor sie »Nö« sagten und weitergingen. Andere ließen sich Zeit und studierten das Bild ausgiebig, ehe sie es Zurückgaben. Nein, der Mann käme ihnen nicht bekannt vor. Es täte ihnen Leid.
    Cahill ließ nicht locker. Seit Wochen traten sie auf der Stelle; es gab keine Gerüchte, niemand ließ einen ehemaligen Kumpel auffliegen, um sich zu rächen - nichts. Sie standen vor einer hohen, breiten Mauer. Sie hatten die Kugel gefunden, die den Richter getötet hatte, nicht jedoch die Patronenhülse. Sie hatten keine Fingerabdrücke gefunden, die im Archiv gespeichert waren; sie hatten keine Mordwaffe; keine Zeugen; kein Motiv. Sie hatten nichts, aber auch gar nichts in der Hand.
    Langsam wurde er wütend. Niemand durfte ungestraft einen Mord begehen. Natürlich kam so etwas vor, aber es traf ihn je-
    des Mal in den Tiefen seiner Seele, in jenem innersten Kern, der ihn Polizist hatte werden lassen.
    Er hielt einen gut zwanzigjährigen Burschen an, an dessen Seite ein schwarzlippiges Mädchen klebte wie ein Kaugummi am Schuh. Beide strotzten vor Arroganz, trotzdem sahen sie sich das Foto an. »Weiß nicht«, sagte der Bursche mit leicht gerunzelter Stirn. »Er erinnert mich an jemanden, ich weiß nur nicht an wen, ja?«
    Cahill blieb in Haltung und Stimme betont neutral. Wenn es sein musste, konnte er ausgesprochen eklig werden, aber heute Abend blieb er absichtlich distanziert und höflich, damit niemand, der ihm irgendetwas zu sagen hatte, Hemmungen hatte, ihn anzusprechen. »Ist es jemand, den Sie schon mal hier in der Galleria gesehen haben?«
    »Nee, Mann, das nicht. Mann, jetzt weiß ich’s! Der sieht aus wie mein Banker!«
    »Wie Ihr Banker?«
    »Klar, William Teller!«
    Lachend stiefelten sie davon. »Witzbold«, knurrte Cahill in sich hinein, wandte sich ab und verkniff sich jede Erwiderung; der Typ konnte nur hoffen, ihm nie zu begegnen, wenn er gerade irgendetwas Verbotenes tat - und genau danach sah er aus.
    Cahill befragte weiter Passanten, bis durchgesagt wurde, dass die Passage geschlossen würde. Auch hier sah es ganz nach einer Sackgasse aus, aber wenn er immer wieder herkam, wenn er immer wieder sein Foto herumzeigte, würde früher oder später vielleicht irgendetwas dabei herauskommen.
    Als er heimkam, war das Haus dunkel. Minutenlang blieb er in der Einfahrt im Wagen sitzen und starrte auf die Fenster. »Scheiße«, flüsterte er. In ein dunkles Haus zurückzukehren, hatte ihn noch nie gestört, aber jetzt hätte er am liebsten irgend-wen

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