Ein Totenhemd fur einen Erzbischof
handelt sich um einen sehr ärmlichen Teil der Stadt, den wir Marmorata nennen.»
«Ort aus Marmor?» fragte Fidelma.
Furius Licinius nickte. «In früheren Zeiten hatten die Steinmetze dort ihre Werkstätten und bearbeiteten den Marmor für die großen Häuser der Stadt.»
«Das habe ich nicht gewußt», brummte Eadulf, der sich seit seinen Studienjahren in Rom einer genauen Kenntnis der Stadt am Tiber rühmte.
«An Eurer Stelle würde ich mich auch nicht ohne Eskorte dort hinbegeben», erklärte Licinius. «Die Gegend ist voll von Seeleuten aus aller Herren Ländern, vor allem aber aus Spanien, Nordafrika und Judäa. Ein Teil des Gebiets wird von einer großen Müllhalde eingenommen, auf der sich zerbrochene amphora und testae stapeln. Wenn die Schiffe ihre Waren abladen, werfen viele Kaufleute die Behälter einfach weg. Sie haben nur ihre Gewinne im Kopf und kümmern sich nicht um die Verschmutzung, die sie damit anrichten.»
«Wäre dieser Stadtteil nicht einen Besuch wert, Fidelma?» fragte Eadulf eifrig. «Vielleicht könntet Ihr dort Eure Araber finden?»
Fidelma schüttelte den Kopf. «Es ist nützlich zu wissen, daß es diesen Stadtteil gibt und daß die Araber von dort gekommen sein können. Aber ohne weitere Anhaltspunkte kann uns dieses Wissen nicht viel nützen. Ich würde die beiden Männer mit Sicherheit nicht wiedererkennen. Ja, ich weiß nicht einmal, warum ich eigentlich nach ihnen suche. Ich glaube, der Schlüssel liegt bei Bruder Osimo Lando. Er müßte uns sagen können, warum Ronan Ragallach mit den Arabern in Verbindung stand. Dabei fällt mir ein … Der junge custos , den ich zu seiner Unterkunft geschickt habe, müßte längst zurückgekehrt sein.»
Auf dem Rückweg zu ihrem officium kamen sie wieder durch die große Halle. Wie immer war sie von zahllosen Würdenträgern sowie Nonnen und Mönchen aller Nationen und Altersstufen bevölkert. Furius Licinius zog los, um sich bei seinen Kameraden zu erkundigen, ob es Neuigkeiten über Bruder Osimo Lando gab.
Als Fidelma und Eadulf gemeinsam die Halle durchquerten, kam ihnen ein traurig dreinblickender Bruder Ine entgegen. Mit einem strahlenden Lächeln ging Fidelma auf ihn zu und streckte ihm eine Hand entgegen. «Ihr seid genau der Mann, den ich suche», rief sie überschwenglich.
Ine sah sie forschend an. «Was wollt Ihr von mir?» fragte er argwöhnisch.
«Lebt Ihr nicht schon seit vielen Jahren unter den Geistlichen Kents?»
Ine nickte zur Bestätigung und blickte erstaunt zwischen Fidelma und Eadulf hin und her. «Ich habe Euch doch erzählt, daß mein Vater mich ins Kloster brachte, als ich zehn Jahre alt war.»
«Ja, genau das sagtet Ihr. Deshalb habe ich ja auch an Euch gedacht. Ihr müßt Euch in der dortigen Kirche sehr gut auskennen.»
Ine warf sich in die Brust. «Es gibt wenig, was ich nicht weiß, Schwester.»
Fidelma lächelte ihn noch freundlicher an.
«Es heißt, Königin Seaxburgh habe das Kloster in Sheppey gegründet. Ist das richtig?»
«Ja, das stimmt. Sie hat das Haus erbauen lassen, als sie vor fast zwanzig Jahren aus Ostanglien kam, um Eorcenbreht, unseren König, zu ehelichen.»
«Außerdem heißt es, daß sie die Tochter Annas ist.»
Ine nickte wieder. «Anna hat mehrere Töchter. Seaxburgh setzt sich sehr für den Glauben ein. Sie ist eine gottesfürchtige Frau und beim kentischen Volk sehr beliebt.»
Fidelma beugte sich vertraulich vor. «Und ist Äbtissin Wulfrun ebenso beliebt wie ihre Schwester?»
« Schwester! » Aus Ines Mund klang das Wort eher wie ein Fluch. Er lächelte wissend. «Als Seaxburgh Wulfrun nach Kent holte, war ihre Beziehung nicht so eng, wie Ihr denkt. Viele meinen, Seaxburgh habe einen großen Fehler begangen, als sie Wulfrun zur Äbtissin von Seaxburgh berief.»
«Was meint Ihr damit, wenn Ihr sagt, ihre Beziehung sei nicht so eng gewesen?» fragte Fidelma.
Ine lächelte hintergründig. «Habt Ihr schon einmal von dem heidnischen Fest der Römer gehört, das sich Saturnalia nennt? Erkundigt Euch danach, was bei diesem Fest Sitte ist, und beantwortet Eure Frage selbst.»
Ines Gesicht verzog sich wieder zu der üblichen Trauermiene. Ohne ein weiteres Wort wandte er sich um und ließ Fidelma verwirrt zurück.
«Und?» wandte sie sich an Eadulf. «Wie wird dieses Fest gefeiert?»
Eadulf wies die Unterstellung, er würde sich mit alten heidnischen Festen in Rom auskennen, entrüstet zurück.
«Soweit ich es beurteilen kann», sagte er, als sie schließlich weitergingen,
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