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Ein Toter hat kein Konto

Ein Toter hat kein Konto

Titel: Ein Toter hat kein Konto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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interessierte, bewegte sich ein Schatten im
Halbdunkel.
    „Sind Sie’s, Chef?“ flüsterte eine weibliche
Stimme. „Ich wollte... Ich glaub, Sie kommen gerade richtig.“
    Es war Hélènes Stimme, die da so zitterte. Doch
das war nicht das einzige an meiner Sekretärin, was zitterte. Ihre Hand, die
sich auf meinen Arm legte, übertrug ihre nervöse Spannung auf mich.
    „Was ist los?“ fragte ich.
    Sie ging zur Wohnungstür von Roland Flauvigny.
Ich folgte ihr.
    „Riechen Sie mal unter der Tür“, forderte sie
mich auf und schob die Fußmatte zur Seite.
    Ich gehorchte. Ein vielschichtiger Geruch stieg
mir in die Nase. Ein süßlicher, betäubender Geruch, vermischt mit austretendem
Gas.
    „Ich habe mehrmals geklopft“, erklärte Hélène.
„Dann habe ich durchs Schlüsselloch geguckt. Der Schlüssel steckt von innen.
Ich hab die Matte zur Seite geschoben, und da hab ich’s gerochen...“
    Ich sagte nichts und wühlte in meinen Taschen.
Abgesehen von dem Schnurren des Aufzugs, der dem Arzt in der dritten Etage die
Klienten zuführte, und den entfernten Geräuschen hupender Autos war alles still
hier oben. Flauvignys Nachbarn waren offenbar ausgeflogen. Was den Studenten
anging...
    Endlich fand ich mein Taschenmesser, das zu
allem anderen diente als dazu, Butter aufs Brot zu streichen. Ich stieß den
Schlüssel aus dem Schloß und bearbeitete dieses. Beinahe sofort öffnete es sich
meinen Wünschen. Trotz dieses Teilerfolgs erwies es sich als schwierig, in die
Wohnung zu gelangen. Ein Riegel war von innen vorgeschoben. Ich mußte kräftig
drücken und gleichzeitig mit dem Messer den Riegel aus der Fassung bringen.
Schließlich gelang es mir... und die Tür widerstand immer noch. Eine
Stoffrolle, dazu gedacht, Zugluft abzuhalten, lag auf dem Boden. Doch dieses
letzte Hindernis ließ sich leicht beseitigen. Ich trat ein und verhedderte mich
in einer Art Türvorhang.
    Ein Taschentuch als Gasmaske vor meinem Mund,
stürzte ich zum Fenster und öffnete es weit. Dann eilte ich in die Küche, um
den Herd zuzudrehen, aus dem zischend das Gas entwich.
    „Sie können kommen, Hélène!“ rief ich meiner
Sekretärin zu.
    Wir gingen zusammen in das Wohnschlafzimmer.
    „Großer Gott!“ stöhnte Hélène, obwohl sie auf
ein ähnliches Schauspiel gefaßt gewesen war.
    Neben dem Sofa lag ein junger Mann. Er schien zu
schlafen. Entweder schlief er seinen Rausch aus, oder aber er war tot.
    Ich beugte mich zu ihm hinunter, um mir sein
Gesicht anzusehen. Es glich aufs Haar dem Foto, das ich heute morgen auf dem
Schreibtisch von Flauvigny sen. gesehen hatte. Nur der Ausdruck war leidender.
    Ursprünglich hatte ich Roland den Marsch blasen
sollen. Jetzt kam nur noch ein Trauermarsch in Frage.

Verschiedene Aktionen
     
     
    „ Roncesvalles “, sagte ich
und richtete mich auf. „Das wird unseren Roland hier lehren, sich mit Sarazenen
einzulassen.“
    „Ist das... Ist das der junge Mann, um den es
geht?“ fragte Hélène stockend.
    „Genau der. Sein Vater bezahlt mich, damit ich
dem Jungen aus der Patsche helfe, und schon im ersten Akt stolpere ich über
seine Leiche. Dazu braucht man wirklich kein detektivisches Talent. Mal sehn,
wie der Alte die Neuigkeit aufnehmen wird
    „Was sollen wir tun? Unten wohnt ein Arzt...“
    „Der Arzt kann ihm auch nicht helfen“, entschied
ich achselzuckend. „Der würde nur Aufregung schaffen. Lassen wir ihn also
besser aus dem Spiel. Was wir aber tun können, ist, den Tatort in Augenschein
zu nehmen und uns eine Meinung über den Todesfall zu bilden. Und danach sollten
wir das Ganze bei einem Pastis durchsprechen. Wissen Sie, Hélène, das ist heute
nicht mein erster.“
    „Erster was? Pastis?“
    „Nein. Mein erster Toter. Ich hab schon einen
gefunden, in Sceaux. Einen Araber.“
    Sie biß sich auf die Lippen, fand dann aber
wieder zu ihrem Humor zurück.
    „Geht’s wieder los?“ fragte sie und versuchte zu
lächeln. „Ja, und zwar in Richtung Leichenschauhaus.“
    Ich schickte meine Sekretärin zum Wachestehen
vor die Tür.
    Die Wohnung von Roland Flauvigny bestand aus
einem kleinen Flur, einem Wohnschlafzimmer, einer Küche und einer Toilette. Das
Ganze war ziemlich eng, schlecht aufgeteilt und wahrscheinlich von einem
Amateur-Architekten entworfen worden. Ursprünglich waren die Zimmer wohl fürs
Dienstpersonal gedacht gewesen. Die Krise dieses Berufsstandes sowie die
allgemeine Wohnungsnot hatten den Hausbesitzer dazu bewogen, sie in kleine
Appartements zu verwandeln und so

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