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Ein Toter hat kein Konto

Ein Toter hat kein Konto

Titel: Ein Toter hat kein Konto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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er. „Sie und ich,
wir sollten unsere Nerven ein wenig schonen.“
    Nach diesem Vorschlag zur Güte versank er in
Gedanken an den Propheten und hüllte sich in duftenden Rauch. Bei seinem
Anblick lief mir das Wasser im Mund zusammen. Wie gerne wäre ich seinem
Beispiel gefolgt! Ich klopfte meinen Anzug ab, fand aber weder Pfeife noch
Tabaksbeutel. Moktar gab ein Zeichen, und Sidi trat in mein Gesichtsfeld. Ich
folgte seinen blitzenden Ringen und sah, daß er mir eine ziselierte Schatulle
mit geöffnetem Deckel hinhielt. Sie enthielt Zigaretten, so dick wie Zigarren.
    „Feinster Orienttabak!“ pries der Dicke seine
Ware an.
    „Ich ziehe französischen Tabak vor“, sagte ich
ablehnend.
    Er bestand nicht auf seinem Angebot. Die
Schatulle verschwand wieder. Auf dem Schreibtisch erblickte ich mein gesamtes
Pfeifenzubehör. Ich erhob mich mühsam und streckte die Hand aus.
    „Sie gestatten?“
    „Bitte schön!“
    Sidi händigte mir meinen Besitz aus. Ich stopfte
meine Pfeife, zündete sie an und zog an ihr, als hinge das Schicksal der Welt
davon ab.
    Als Folge des leichtfertigen Konsums starker
Getränke und der verschiedenen Gymnastikübungen war mir kotzübel, und ich hatte
den Eindruck, daß mein Zustand durchs Rauchen noch verschlimmert wurde. Doch
ich paffte nur um so hemmungsloser. Mal sehen, wer es als erster leid wurde,
Moktar oder ich. Alle schienen auf etwas zu warten, und rauchend wartet es sich
besser.
    „Also“, begann der Boß nach ein paar
Schweigeminuten von neuem, „wir sind doch unter Freunden, nicht wahr? Warum
wollen Sie dann nicht beichten?“
    Ich lachte laut auf.
    „Sind Sie Priester?“
    „Ich könnte mir eine Soutane überziehen.“
    „Mit einer Soutane sähst du bestimmt allerliebst
aus“, bemerkte ich grinsend.
    „Ich habe nicht die Absicht, dir zu gefallen“,
erwiderte er und lächelte zurück, eine Tonne türkischen Honig an den Lippen.
    „Deine Tänzerinnen gefallen mir sowieso besser.
Spendierst du mir eine?“
    „Deswegen bist du hier, ja?“
    „Nein, du Schlauberger! Aber ich würde mich nach
der Arbeit gerne einer von ihnen annehmen, wenn das möglich ist. Ich stell mir
dann vor, es wäre Renée Jeanmaire.“
    „Gefallen sie dir?“
    „Ihr Schleier, Dickerchen, ihr Schleier... Das
ist wie ‘ne Maske vorm Gesicht... Kennt doch jeder, die weiße Maske... Und dazu
schwarze Strümpfe... wie Stiefel... Und in der Hand eine Peitsche... Und die
Musik! Vor allem die Musik... Ich weiß, was gespielt wird, wie man so sagt...“
    „Du machst mir Spaß“, stellte Dickerchen fest.
    Ich schüttelte den Kopf und spürte, wie mein
Gehirn sich bewegte wie ein Eidotter in seiner Schale.
    „Schnauze!“ rief ich wieder.
    „Schon gut“, lachte Dickerchen. „Du kriegst
deine Tänzerin. Aber vorher möchte ich noch gerne wissen, warum du dich hier
eingeschlichen hast.“
    „Ganz einfach: Ich war auf dem Nachhauseweg, als
mich einer deiner verdammten Wüstensöhne mit einer tragbaren Guillotine
bedrohte und mir befahl, ihn zu begleiten. Ich bin hierhergekommen, um mich
verprügeln zu lassen, denn das gefällt mir nämlich noch viel mehr als die
Tänzerinnen. Verstehst du, Pausbacke? Ein Machi... ein Macho... ein Narziß...
Nein, das ist ‘ne Blume... Ein Masozi... Ach, such du das Wort doch selbst! Du
sprichst genauso gut französisch wie ich.“
    „Ich weiß aber immer noch nicht, wie du hier
reingekommen bist“, beharrte Pausbacke. „Dies ist ein Privatclub, Monsieur
Burma! Und Sie sind kein Mitglied.“
    „Nein, bin ich nicht. Aber warum, zum Teufel,
quält Sie die Frage so sehr, Sie und Ihre Leute? Und warum ,Monsieur’? Sind wir
nun Freunde oder nicht? Nein, ich bin kein Mitglied. Aber Roland Flauvigny war
eins. Er ist tot, ich hab seine Karte geerbt. So einfach ist das. Zufrieden?“
    „Komisch“, staunte Pausbacke. „In deinen
Papieren hab ich nichts gefunden, was nach einer Clubkarte aussieht.“
    „Gib mal her“, bat ich.
    Ich stand auf... und schützte instinktiv meinen
Kopf mit einer Hand; denn ich hatte das Gefühl, ich würde fliegen und gleich an
die Decke stoßen. Mit der anderen Hand stützte ich mich auf den Schreibtisch.
Wieder mußte ich lachen. Noch nie in meinem Leben hatte ich so sehr gelacht.
Als ich nach der Brieftasche greifen wollte, verwandelte sie sich plötzlich in
eine Kröte. Sie sprang von rechts nach links, nach vorne und nach hinten. Wie
eine Kröte eben. Wie ein Känguruh, eine Heuschrecke, eine Libelle. Wie eine
Kröte, die vom Mars

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