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Ein Toter hat kein Konto

Ein Toter hat kein Konto

Titel: Ein Toter hat kein Konto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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geflogen kommt. Kröte... hüpf! Hepp! Endlich hatte ich sie,
die Kröte aus Maroquin. Von nicht enden wollendem Gelächter geschüttelt, wühlte
ich in dem Bauch einer... Kröte! Die Mitgliedskarte fand ich jedoch nicht. Ich
warf die Kröte dem Dicken zum Fraß vor und setzte mich wieder hin.
    „Verschwunden“, stellte ich fest. „Hab sie wohl
verschluckt... wie eine Kröte... hihihi!“
    Ich nahm das Ganze von der heiteren Seite und
schüttelte mich aus vor Lachen.
    „Du bist ein verdammter Lügner!“ schimpfte
Pausbacke. „Ich schwör dir, sie ist verschwunden“, widersprach ich und prustete
los. „Frag deinen Portier!“
    „Mach dir mal keine Gedanken, ob ich ihn frage
oder nicht.“
    „Doch, du mußt ihn fragen, deinen
Haremswächter... Ich hatte eine Mitgliedskarte, aber die eines Toten...
Roland... Sohn eines Kol... Kollabo...“
    Ich hatte einen Geistesblitz. So was soll
Vorkommen, wenn man Haschisch konsumiert. Schwerfällig stellte ich mich wieder
auf die Beine, knallte die Hacken zusammen, hob den Arm und grölte:
    „Heil Hitler!“
    „Was bedeutet das denn?“ fragte Moktar
stirnrunzelnd. „Heil Hitler!“ wiederholte ich.
    Ich hielt da ein interessantes Detail in der
Hand, dessen Bedeutung mir — wie dem Araber — im Moment noch nicht ganz klar
war.
    „Sehr interessant“, sagte der Dicke, zum Teil
einverstanden mit mir. „Sehr interessant. Ist das alles, was du weißt?“
    „Weiß ich alles, was ich weiß?“ fragte ich
zurück wie ein Weiser aus dem Morgenland und lachte wieder los.
    Schwankend setzte ich mich auf den wackligen
Stuhl. Doch sogleich verließ ich ihn wieder, diesmal rückwärts. Auf weiche
Kissen gebettet, beherrschte ich die Situation. Die drei Araber lagen neben dem
umgekippten Schreibtisch auf dem Boden. Die Deckenlampe hatte ihren Platz
verlassen und hing nun horizontal an der Wand, direkt neben mir. Trotz ihres
gestörten Gleichgewichts schienen sich die drei Araber mühelos zu bewegen. Der
Dicke war noch dicker geworden. Der Barbier verbarg sein Gesicht hinter einem blauen
Tuareg-Schleier. Sidi strich sich mit der beringten Hand über die Seite. Der
Dickhäuter kam auf mich zugeflogen.
    „Hör mal, Burma“, raunte er mir zu. „Du bist
heute zusammen mit Dumonteil gesehen worden, und dann an einem Ort, an dem du
nichts zu suchen hast. Was, meinst du, hab ich zu verkaufen?“
    „Hanf“, antwortete ich. „Indischen Hanf.“
    Er schüttelte mich an den Schultern.
    „Was hab ich zu verkaufen?“ schrie er.
    Ich dachte, ich hätte es ihm schon gesagt.
Anscheinend war mir aber kein Ton über die Lippen gekommen. Moktar fluchte auf
arabisch, dann sprach er wieder mit mir.
    „Du kennst Dumonteil und Andréjol. Erzähl mir
alles, was du über die beiden weißt!“
    Ich gab keine Antwort. Das heißt, aus all dem,
was ich dachte, aus all den Sätzen, die sich in meinem Hirn bildeten, wurden
keine hörbaren Töne, nichts, was deutlich zu vernehmen gewesen wäre. Nicht
einmal Laute, die der Stumme in Bagneux ausgestoßen hatte: a, e, i, o, u...
    „Der Stumme?“ hakte Pausbacke nach. „Los, red
schon!“ Ich mußte also doch etwas von mir gegeben haben! Was ich danach noch
sagte, weiß ich nicht mehr. Genausowenig weiß ich, wie lange diese seltsame
Unterhaltung dauerte.
    Plötzlich funkelten bunte Steine und Gold vor
meinen müden Augen, ein Torpedo riß mich beinahe in Stücke, und dann trug mich
ein fliegender Teppich in seinen Falten fort.

11

Wunder
und Visionen
     
     
    Ich rede. Ich rede mit Andréjol. Ich rede mit
Dumonteil. Ich rede mit Nestor Burma.
    Niemand hört mir zu. Niemand versteht mich. Ich
behaupte, ich sei Utter, das Opfer, das zu Nosferatu flieht wie die Fliege zur
Hängebrücke. Sobald ich sie überquert habe — die Brücke nämlich — , werden sich
die Phantome auf mich stürzen. Kennst du, Andréjol, den Untertitel, der
freundlicherweise auf dem Fensterbrett erscheint, direkt neben dem mörderischen
Rasiermesser des Regisseurs von Ein andalusischer Hund : Fünf Jahre
früher? Fünf Jahre früher, zwanzig Jahre später, dreißig Jahre in einer Wand
oder das Leben eines Ziegelsteins? Weder Vergangenheit noch Gegenwart noch
Zukunft. Davongeflogen, diese Vorstellungen, zusammen mit der Büffel-Kröte, der
Beutelrattenbrieftasche. Ich rede mit Nestor Burma, der vor fünf, zwanzig oder
dreißig Jahren einmal Privatdetektiv war. Alles kommt ins Spiel. Wir fliegen,
fahren schwarz auf dem fliegenden Teppich. Wir sind tot. Immer noch im Stand
der

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