Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Toter hat kein Konto

Ein Toter hat kein Konto

Titel: Ein Toter hat kein Konto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
Vom Netzwerk:
Legionär
gelernt hatte.
    Unter dem Hagel der Beleidigungen erbleichte der
Dicke. Er legte seinen Tschibuk zur Seite, wuchtete seinen mächtigen Körper aus
dem Sessel hoch und kam zu mir, um mich mit seiner beringten Hand mitten ins
Gesicht zu schlagen.
    Ich fing an, mein eigenes Blut zu saufen. Ein
kleiner, hinterhältiger Vampir, dieser Nestor, mit den Prinzipien eines
Selbstversorgers. Der Fettkloß setzte sich wieder hinter seinen Schreibtisch
und sagte etwas auf arabisch. Untertitel waren nicht erforderlich. Die
Bedeutung der Tirade verstand ich auch so. Sidi und der Barbier standen mir beratend
zur Seite.
    „Aufstehen und ausziehen!“ befahl einer der
beiden klar und deutlich, was wieder einmal die Vorteile unseres französischen
Schulsystems — gratis, konfessionsneutral und obligatorisch — unter Beweis
stellte.
    Die beiden packten mich, stellten mich auf meine
zitternden Beine und fingen an, mich auszuziehen. Ich mußte wieder lachen. Wie
hatte der Papagei der Gräfin bei der Versteigerung gekrächzt? „Für hundert Sous
mehr zieh ich mich aus!“
    Kurz darauf gab es weder was zu lachen noch
Gräfin oder Papagei. In meinem Hirn spukte nur noch ein Bild aus den Tréfileries
de la Seine herum: der Moment, in dem die Eisenstangen aus dem Feuer
gezogen und durch den Gewindeschneider geschoben werden. Nur daß ich weniger
Widerstand leistete als eine Eisenstange.
     
    * * *
     
    Sie hatten mich wieder oberflächlich angezogen.
Ich saß auf dem Stuhl, der genauso stöhnte wie ich. Meine Nase brannte, eine
Erinnerung an den Faustschlag des dicken Chefs. Denn seine Leute, als gute
Mohammedaner, die das menschliche Antlitz als Ebenbild Allahs respektieren,
hatten mein Gesicht geschont. Mir taten vor allem die Nierengegend und der
Brustkorb weh. Ich hatte das Gefühl, als hätte ich mehrere Tausend Nadeln
verschluckt und als versuchten sie nun, sich einen Weg durch mein Fleisch zu bahnen.
Vor meinen Augen verschwamm und drehte sich alles. Ich brauchte eine Weile, bis
ich Moktar hinter seinem Schreibtisch erkannte. Er lümmelte sich in seinem
Sessel und begutachtete meine Papiere, die er in meiner Brieftasche gefunden
hatte. Eine olivenfarbene Hand führte einen Becher an meine Lippen und flößte
mir eine nach Anis schmeckende Flüssigkeit ein. Ich trank, ohne mir etwas Böses
dabei zu denken. In meinem Zustand konnte mir selbst das abenteuerlichste
Gebräu nichts anhaben... Inschallah! Es stand alles geschrieben. In der
Gesellschaft dieser Beduinen wird man zum Fatalisten.
    „Ich mag es nicht besonders, wenn man mich
beleidigt, Monsieur Burma“, hörte ich die Honigstimme des Dicken säuseln. „Ich
mache eine schwierige Phase durch... Die Geschäfte, Sie verstehen... Und bei
der kleinsten Unannehmlichkeit reagiere ich gereizt. Die Nerven! Ich hatte Sie
gewarnt... Ich weiß, welche Streiche uns unsere Nerven spielen können... Halten
Sie mich immer noch für einen... Wie hatten Sie noch so schön gesagt?“
    „Hab’s vergessen“, antwortete ich. „Aber es wird
mir schon wieder einfallen, wenn wir uns woanders und unter vier Augen
wiedertreffen.“
    „Ganz bestimmt.“ Er nickte, ohne weiter darauf
einzugehen. „Sie sind Privatdetektiv, nicht wahr?“
    „Ja, und der Mann, der bei mir war, ist ein
richtiger Flic.“
    „Wissen wir alles.“
    „Dann wissen Sie sicher auch, daß es Sie teuer
zu stehen kommen kann, wenn Sie Leute unseres Schlages so behandeln, wie Sie’s
getan haben.“
    „Ja“, bestätigte er. „Ich habe mich vielleicht
etwas zu sehr hinreißen lassen. Aber schließlich haben Sie mich provoziert
und... Reden wir nicht mehr davon“, fügte er gönnerhaft hinzu, so als hätte er
die Prügel bezogen. „Trotzdem bleibt die Tatsache bestehen, daß dies hier ein
Privatclub ist, in den Sie sich eingeschlichen haben, ohne Mitglied zu sein.
Darf ich fragen, mit welcher Absicht?“ fragte er.
    „Bedaure, aber das ist streng vertraulich.“
    „Daran zweifle ich nicht. Also: Warum, Monsieur
Burma?“
    „Man hat die üppigen Rundungen Ihrer Tänzerinnen
gerühmt.“
    „Wirklich?“
    „Ja.“
    Er langte in einen riesigen Steinguttopf,
stopfte eine ordentliche Portion Tabak in den Kopf seines Tschibuks, zündete
die Pfeife an und schwängerte die Atmosphäre mit schweren Düften.
    „Reden wir ernsthaft, Monsieur Burma. Was suchen
Sie hier?“
    „Nichts!“ antwortete ich. „Wie kommen Sie
darauf, daß ich hier etwas suchen könnte?“
    Der Dicke lächelte.
    „Das reicht erst mal“, sagte

Weitere Kostenlose Bücher