Ein toter Lehrer / Roman
Lucia trat beiseite. Elliots Vater folgte ihr.
»Hat sich etwas getan? Haben Sie uns irgendetwas zu sagen?«
Lucia schüttelte den Kopf. »Es ist nicht mein Fall, Mr. Samson. Ich wollte Elliot bloß das Buch vorbeibringen, weiter nichts.«
»Nicht Ihr Fall? Was soll das heißen, es ist nicht Ihr Fall? Wieso schenken Sie meinem Sohn Bücher, wenn es nicht Ihr Fall ist? Wieso schenken Sie meinem Sohn überhaupt Bücher?«
»Ich habe gehört, was ihm zugestoßen ist. Ich … ich weiß nicht. Ich dachte, das Buch würde ihn vielleicht aufmuntern.«
Elliots Vater lächelte jetzt, aber in seiner Miene lag keine Spur von Humor. »Aufmuntern? Wissen Sie, was ihn aufmuntern würde? Wenn Sie die Rowdys, die ihm das angetan haben, hinter Schloss und Riegel bringen würden. Sie wegsperren. Wenn Sie dafür sorgen würden, dass sie so etwas nie wieder mit ihm machen können. Das würde ihn aufmuntern.«
»Ich habe wirklich Verständnis für das, was Sie sagen, Mr. Samson, wirklich. Aber es ist schwierig. Soweit ich weiß …«
»Erzählen Sie mir nicht, es gäbe keine Zeugen. Ich will nicht hören, dass es keine Zeugen gab.«
»Bitte, Mr. Samson. Es ist nicht mein Fall. Ich kann Ihnen nicht helfen, so gern ich es auch würde. Wenn Sie vielleicht mit PC Price sprechen würden …«
»Price.« Elliots Vater verzog spöttisch das Gesicht. »Price ist ein Trottel. Ein Idiot.«
»Er versucht nur, seine Arbeit zu machen.«
»Erzählen Sie mir doch nichts. Soweit ich das sehe, macht hier keiner seine Arbeit. Nicht einer von Ihnen. Sie verplempern Ihre Zeit damit, Geschenke zu kaufen, und Price sitzt rum und überlegt, wie er seinen lahmen Arsch in Bewegung kriegt.«
»Ich muss gehen, Mr. Samson. Ich muss jetzt wirklich gehen.« Lucia wich zurück. Sie drehte sich um, schloss die Augen und wäre um ein Haar wieder mit einer Krankenschwester zusammengestoßen. Lucia murmelte eine Entschuldigung und huschte vorbei.
»Lassen Sie meinen Sohn in Ruhe. Haben Sie mich verstanden? Sie und Ihr ganzer verdammter Verein. Lassen Sie meinen Sohn in Ruhe!«
Lucia blickte starr auf den Boden und eilte weiter.
S ie haben ihm in die Aktentasche geschissen.
Fragen Sie mich nicht, wann und wie. Aber es ist wirklich wahr. Ich hab’s gesehen. Ich wünschte bei Gott, ich hätte es nicht gesehen, aber ich saß neben ihm, als er es entdeckt hat.
Das war das einzige Mal, dass ich ihn habe fluchen hören. Normalerweise geht es im Lehrerzimmer zu wie samstags im Fußballstadion. Wir haben eine Schimpfwortkasse, eine gute Sache. Das Geld ist für wohltätige Zwecke gedacht, für irgendein Hospiz oder Krankenhaus, aber ich glaube nicht, dass die je einen Penny davon gesehen haben. Wir plündern die Kasse. Die Lehrer. Für Eis, Kekse und solche Sachen, wissen Sie. Das hätte ich Ihnen lieber nicht erzählen sollen, oder? Wahrscheinlich kommen wir jetzt alle in den Knast. Janet, die Sekretärin des Direktors, die ist die Schlimmste. Wenn sie jemanden verhaften wollen, dann sie.
Aber Samuel. Ich hatte Samuel noch nie fluchen hören, nicht bis zu diesem Tag. Ich möchte nicht wiederholen, was er gesagt hat, aber man konnte es ihm eigentlich nicht übelnehmen. Weiß der Teufel, was derjenige gegessen haben muss. Ich habe noch nie eine Wurst in dieser Farbe gesehen. Also, ich persönlich wäre sofort ab zum Arzt bei der Farbe. Und wie groß die war. Er muss tagelang aufgespart haben. Zum Geruch sage ich mal nichts, den können Sie sich vorstellen.
Er ist senkrecht in die Luft gesprungen, als er sie entdeckt hat, als hätte er eine Tarantel in der Tasche gehabt oder so was. Er ist aufgesprungen, gegen den Tisch gestoßen und hat den ganzen Kaffee verschüttet, unseren Kaffee. Ein paar von uns saßen um den großen Kaffeetisch im Lehrerzimmer herum, wissen Sie, und wir haben Arbeiten korrigiert oder in der
Times
oder in der
Sun
geblättert oder sonst irgendwas gemacht. Ich war gerade dabei, ein Buch zu lesen, das ich aus den Staaten geschickt bekommen hatte. Über den Aktienmarkt, Aktien und Anleihen.
Wie Sie Ihr Gehalt clever investieren, steinreich werden und das Leben genießen
heißt es. Irgendwas in der Art. Mein Cousin Frank, der wohnt in Minnesota, der hat es mir geschickt. Angeblich hat er in sechzehn Monaten hundert Riesen gemacht. Dollar natürlich, aber immerhin. Und dabei ist er eigentlich ein Volltrottel, und ich bin Wirtschaftslehrer, und da sage ich mir, wenn der das kann, kann es ja nicht so schwer sein.
Der Kaffee. Er ist überallhin
Weitere Kostenlose Bücher