Ein toter Taucher nimmt kein Gold
freilegen und sich in richtigen Taucheranzügen vorkämpfen. Aber was hatten sie denn hier auf der Nuestra Señora? Eine bessere Sporttaucherausrüstung, mehr nicht. Sie würden sich wie die Maulwürfe hineinwühlen müssen.
»Wir werden kämpfen«, sagte er hart. »Nicht Mann gegen Krake – das wäre Blödsinn! Sondern mit List. Wir müssen beweisen, daß wir ein Gehirn haben und er nicht!«
Am frühen Nachmittag hatten sie alles vorbereitet. So lautlos wie möglich glitten Faerber, Damms und Chagrin ins Meer und tauchten weg. Oben standen Pascale und Ellen an der Reling und blickten ihnen nach, bis ihre Schatten in der Tiefe verschwanden. Dann setzten sie sich an das Funkgerät und warteten. Als sich ihre Blicke begegneten, sagte Pascale plötzlich:
»Ich habe Angst um ihn, Ellen.«
»Dann schwimmen Sie René nach. Hoffentlich erwischt Sie der Krake!«
»Nicht René – Peter! Und ich kann gar nicht schwimmen.« Sie lächelte, aber um ihre Lippen war jenes verräterische Zucken, das entsteht, wenn man sich das Weinen verbeißt. »Ellen, ich bin ein Luder, aber auch ein Luder kann einmal ehrlich sein und lieben …«
»Das glaube ich Ihnen nicht!« Ellen drehte an den Schaltknöpfen und beugte sich über das Mikrofon. »Hallo, melden! Hallo, melden! Was ist unten los?«
»Sie lieben Hans doch auch«, sagte Pascale.
»Das ist etwas anderes.«
»Natürlich. Sie sind keine Hure. Sie sind das feine, reine, ehrbare Mädchen aus gutem Hause. Die Madonna im Rosengarten. Glauben Sie, daß nur Sie ein Herz haben?«
Ellen tippte nervös auf den Signalgeber. Aus der Tiefe meldete sich niemand, der Lautsprecher blieb stumm, nur ein leises, zermürbend eintöniges Summen klang aus dem Apparat.
»Seien Sie doch endlich still!« sagte Ellen nervös.
»Wollen wir uns wieder streiten?«
»Nein!«
Pascale beugte sich vor. Ihr feuerrotes Haar wehte um sie wie eine zerfetzte Piratenflagge. »Sie haben auch Angst um Hans. Aber Sie sind mutig, können schwimmen und tauchen. Warum gehen Sie nicht auch hinunter?«
Es war eine Frage, mit der Ellen sich seit dem Augenblick beschäftigte, in dem Faerber, bewaffnet, als müsse er eine Unterwasserschlacht schlagen, über die Treppe ins Meer geklettert war. Durch Pascales Frage wurde aus diesem Gedanken fast ein Entschluß.
»Ziehen Sie sich um«, drängte Pascale.
»Und die Geräte, die zu bedienen sind?«
»So vollkommen dämlich, wie Sie mich einschätzen, bin ich nicht. René hat mir das Funkgerät genau erklärt. Ich rühre mich nicht von der Stelle. Ich weiß genau, welche Knöpfe man bedienen muß.«
Ellen zögerte. Sie trat wieder an die Reling und blickte ins Meer. Ein klares, blaugrünes Wasser, das keine Geheimnisse hatte, so tief es der Glanz der Sonne durchdrang. Aber dann begann die Dämmerung, und unter ihr lag die Gefahr. Daran änderten auch die Fischschwärme nichts, die mit goldglitzernden Leibern, in herrlich rhythmischer Bewegung, hin und her schwammen.
»Ziehen Sie sich um«, sagte Pascale hinter Ellen. »Ich mache die Sauerstoffflaschen fertig …«
Nach zehn Minuten war Ellen wieder an Deck. Ihr gelber Gummianzug hatte dicke blaue Streifen an den Seiten. Pascale stand schon bereit, schnallte ihr das Sauerstoffgerät auf den Rücken, zog den breiten Gürtel mit dem zweischneidigen Messer darin um Ellens Körper und band das Kehlkopfmikrofon und die Kopfhörer fest.
»Noch keine Nachricht von unten?« fragte Ellen. Pascale schüttelte den roten Feuerkopf.
»Nichts! Ich habe Angst um Peter, Ellen …«
Es war ein gemeiner Satz. Ellen dachte an Hans, und ihre Angst um ihn drückte ihr fast das Herz ab.
Sie ging zur Treppe, kletterte über Bord und ließ sich ins Wasser gleiten. Elegant tauchte sie weg, die Sonnenstrahlen ergriffen sie und ließen sie aufleuchten wie einen riesigen goldenen Fisch. Dann sank ihr Körper tiefer und wurde zu einem Schatten, der sich plötzlich auflöste.
Pascale stand an der Reling und wartete, bis Ellen verschwunden war. Dann legte sie den Kopf in den Nacken und lachte. Es war ein perlendes Lachen, aber ein hysterischer Mißton schwang in ihm mit.
Lachend ging Pascale zurück zum Funkgerät und stellte alle Schalter auf Null. Die Verbindung zum Meeresboden riß ab.
Es gab keine Hilferufe mehr … und sie würden kommen, in ein paar Minuten, erst erstaunt, dann ärgerlich, schließlich ängstlich, in immer größerer Panik, um am Ende in verzweifelten Todesschreien zu enden.
Ellen Herder trug auf ihrem Rücken ein
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