Ein toter Taucher nimmt kein Gold
Luder, hol die Kiste 'rüber!«
Der kleine Galgen schwenkte herum, die Transportkiste rasselte auf die Planken. Chagrin stieß die Klappriegel zurück und riß den Deckel auf.
Eine andere, kleinere Eisenkiste, glitschig und mit leichenblassem Tang überwachsen, kam zum Vorschein. Chagrin wuchtete sie heraus, stieß sein Messer unter den Deckel und sprengte sie damit auf.
Es war, als würde auf der Nuestra Señora eine neue Sonne aufgehen, als sei ein dicker Tropfen der Sonne auf das Deck gefallen und glühe dort mit einem die Augen blendenden Schein weiter.
Es war, als stünden sie an Bord der Zephyrus, als wären sie von Mulis mit indianischen Treibern herangetragen worden, denen die Peitschen der spanischen Eroberer über die nackten, striemigen Rücken klatschten. Nach der langen Reise, nach Hunderten von Kilometern über Berge und durch Sümpfe, Urwälder und Steppe, lagen nun sauber aufgeschichtet Stapel von reinen Goldplatten vor ihnen!
Hans Faerber mußte schlucken. Der Anblick überwältigte ihn. Er kniff die Augen zusammen und mußte wegsehen, so blendete ihn das blanke Gold in der Sonne.
»Sagen Sie etwas!« schrie Chagrin. Er war außer sich vor Triumph. »Brüllen Sie juhe oder hurra oder sonst was! Oder fallen Sie ganz einfach um!« Chagrin griff mit beiden Händen in das Gold und hob einige Platten hoch. »Das ist das eingeschmolzene Gold der Mayas! Faerber, das ist pures Gold! Gold! Wir stehen auf Ihrem goldenen Teppich …«
»Wo haben Sie das gefunden?« sagte Faerber schwer atmend. Er bückte sich, nahm eine der Goldplatten in die Hand und hielt sie mit spitzen Fingern von sich, als sei sie glühend heiß. »Wo haben Sie das gefunden, Chagrin?«
»Hinter Seiner Exzellenz, dem Herrn Admiral. Da gibt es einen Raum, dessen Boden mit diesen Kisten ausgelegt ist. Kiste an Kiste. Und eine Etage tiefer liegen Kassetten mit spanischen Goldtalern und Fässer – Faerber, Fässer! – voller Edelsteine. Sie haben die Smaragde und Saphire transportiert wie Schnaps – in Fässern! Einfach so 'reingekippt, vielleicht sogar mit einer Schaufel. Man hatte es ja … Was da unten seit 432 Jahren liegt, kann man gar nicht ausrechnen! Und es gehört uns …«
Er wirbelte herum und sah Pascale an. Sie stand an der Winde, mit großen, grün schimmernden Augen. Jetzt erst bemerkte Chagrin, daß sie im Bund des Bikinis einen Revolver trug. Seinen Revolver.
Pascales Oberkörper war noch immer nackt, ein herrliches Bild fast tierhafter Schönheit.
»Schieß dir nicht in die Brust!« lachte Chagrin. Seine Grobheit hatte jetzt, eingebettet in sein Glücksgefühl, sogar etwas Charme. »Spielt ihr hier: Eins-zwei-drei – wer schießt vorbei?!«
»Es ist wegen der Haie«, sagte Pascale. »Sie kamen so nahe ans Schiff.«
»Idiotisch, diese Weiber! Ich habe noch nie einen Hai die Bordwand hochspringen sehen!« Er gab dem Kistendeckel einen Tritt und begann, den Gummianzug abzustreifen. Das Leuchten des Goldes war erloschen, und damit kam auch die Vernunft wieder zurück.
»Das war Artistik, mein Lieber«, sagte Chagrin. »Schwimmen Sie mal mit so einer Kiste allein 'rauf und 'runter und stoßen Sie nirgendwo an! Als ich bei unseren knöchernen Kameraden war, ist mir ganz schön der Schweiß ausgebrochen. Ich glaube, wenn ich auf dem Rückweg irgendwo angestoßen wäre, hätte ich mir in den Anzug geschissen vor Angst. Wenn man bedenkt – ein kleiner Ruck, und alles ist für alle Zeiten begraben!«
Er streckte sich und wischte sich mit beiden Händen mehrmals über das Gesicht.
»Eine Stunde Pause, Faerber. Einen starken Kaffee von Ellen, eine Zigarette, und dann geht's wieder 'runter! Kommen Sie mit? Auf Peter kann Pascale aufpassen. Die kriegt ihn wieder hin. Sie ist Spezialistin im Aussaugen …«
»Peter lebt«, sagte Faerber langsam. »Aber wer weiß, wie lange noch? Und wenn er überlebt, kann er vielleicht einen irreparablen Hirnschaden behalten. Er muß sofort in ein Krankenhaus geflogen werden. Die nächste vernünftige Klinik ist in Mérida im Nordwesten von Yukatan. Chagrin, wir fahren in zehn Minuten los. In zwei Stunden können wir an der Küste sein und Peter ausladen.«
Einen Augenblick war es still, ganz still. Es war, als hielte alles, selbst Meer und Wind, den Atem an. Dann sagte Chagrin betont langsam: »Wir bleiben, Faerber!«
»Peter hat hier keine Chance, zu überleben. Begreifen Sie es doch.«
»Ich begreife sehr gut und schnell. Ich begreife, daß wir abbrechen sollen und nicht wissen,
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