Ein toter Taucher nimmt kein Gold
treuesten Gefolgsmann haben.«
»In ein paar Tagen werden Sie völlig verrückt sein, Chagrin. Dieses gelbe Metall schafft Sie! Das ist meine Chance …«
»Eine verdammt dünne Decke überm Eis!« Chagrin lachte leise, aber auch dieses Lachen war nicht mehr normal. Es schwang etwas mit, was Faerber die Nackenhaare sträuben ließ: ein Ton jenseits aller Menschlichkeit. »Morgen um fünf fangen wir an! Ellen und ich! Gehen Sie 'runter und schlafen Sie! Auf uns kann ich allein aufpassen. Sie wissen es doch aus der Medizin: Irre entwickeln ungeheure Energien.«
Wieder das schreckliche, hohle, sich überschlagende Lachen … Faerber schlug die Tür zu und ging hinunter zu den Kajüten.
»Er hat den Zündschlüssel«, sagte er zu Pascale und Ellen, die auf ihn gewartet hatten. Da der Motor nicht angesprungen war, ahnten sie, daß Chagrin auf Deck herumgeisterte. »Noch ist er der Stärkere.«
»Wir müssen ihn töten«, sagte Pascale dumpf. »Es bleibt uns gar nichts anderes übrig, als ihn zu töten. Überlaßt ihn mir. Ich habe ein Recht darauf, ihn zu töten. Ellen, Hans, ich kaufe ihn euch ab! Ich biete meinen ganzen Anteil gegen sein Leben! Ist das ein Geschäft?«
Sie hob wie bettelnd die Hände. Ihr Gesicht zwischen dem langen roten Haar war in den letzten Tagen eingefallen, spitz und scharf geworden, und hatte den aufregenden exotischen Reiz verloren. Was geblieben war, wirkte nicht mehr schön: es war eine starre, noch jugendliche Maske, in die sich deutlich, von Stunde zu Stunde, wie eine Säure, das Alter hineinfraß. Ein erschreckender Anblick.
»Kümmert euch nicht darum«, sagte sie und vergrub ihre Hände in dem langen Haar. »Ich töte ihn …«
Es war unmöglich, Chagrin umzubringen.
Er hatte sich ein Sicherheitssystem ausgedacht, das Faerber nie durchbrach, weil er Gewalt haßte, und das Pascale nie überwinden konnte, weil ihr die diabolische Intelligenz von Chagrin fehlte.
Es begann damit, daß Chagrin mit dem Revolver in der Hand Pascale zwang, zuerst von allem etwas zu essen, was Ellen auf den Tisch brachte.
»Glauben Sie, ich will Sie vergiften?« fragte sie, als Pascale am nächsten Morgen den Tee und die Haferflocken, in aufgelöstem Milchpulver gewässert, versuchen mußte.
»Ja!« antwortete Chagrin. »Gift ist die Waffe der Frauen. Wenn Sie schon nicht zu dem bewährten Mittel greifen, dann könnte Pascale mir den Tod über die Haferflocken streuen. Arsen statt Zucker …«
»Das würden Sie schnell merken«, sagte Faerber trocken.
»Allerdings …« Chagrin lächelte verzerrt. »Wenn's im Magen brennt! Nein, den Gefallen tu ich euch nicht.« Er aß auch das Stück Keks erst, nachdem Pascale eine Ecke davon abgebissen hatte. Daß sie vor Wut auf das verbliebene Stück spuckte, störte ihn nicht. Er lachte bloß.
»Ich habe den Benzin Vorrat und die Dieselöltanks kontrolliert«, sagte er, als er sich wieder den Taucheranzug überstreifte. »Wir bleiben noch drei Tage hier.«
»Von mir aus dreißig!« Faerber zeigte hinüber zu den geduldig wartenden Booten. »Freuen werden sich nur die da draußen. Sie haben einen Idioten gefunden, der ihnen die Schätze aus dem Meer holt. Glauben Sie, die Mexikaner kochen Kaffee, indem sie sich die Hände feurig reiben?! Chagrin – sie beobachten uns genau. Sie rechnen auch. Und mit jedem Tag werden sie sicherer: Eine Flucht übers Meer ist ausgeschlossen. Mindestens ein Boot von ihnen hat neben einem Maschinengewehr auch so viel Sprit an Bord, daß es uns schnell einholen und den Weg abschneiden kann. Warum wollen Sie das nicht einsehen? Diese bewußte Blindheit ist doch verrückt! Oder hoffen Sie auf ein Wunder?«
»Nein!« Chagrin zog den langen Reißverschluß zu. Er blickte hinüber zu Ellen, die sich ebenfalls zum Tauchen fertig machte. Um die fernen Beobachter zu täuschen, trug sie wieder Peter Damms' Hut und zog die Gummikappe im Schutz des Ruderhausaufbaues über, wo niemand ihre langen, nach oben verknoteten Haare sehen konnte. »Ich glaube nur an mich!«
Das klang verdammt stolz. Faerber schüttelte den Kopf. »So etwas sollten Sie sich abgewöhnen, Chagrin. Es dauert nicht mehr lange, und Sie fressen sich in Ihrem Irrsinn selbst auf.«
»Sie können mich nicht provozieren, Hans. Vergebliche Mühe!« Chagrin lachte hart. »Bis in die Dreimeilenzone von Guatemala kommen wir immer, und das genügt.«
»Als ob die mexikanischen Piraten sich um Dreimeilenzonen kümmerten! Sie werden sofort angreifen, wenn wir die Anker
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