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Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman

Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman

Titel: Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Maria Herbst
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werd erst am 3. Februar wieder gesund, da geht es zurück ins deutsche Tiefkühlfach.
     
    In diesem Augenblick setzt sich Siegfried Rauch an meinen Tisch, der Kapitän des Traumschiffs. Für ihn ist die Brücke an Bord eher eine Art Palliativstation. Man kann seinem Ende auch entgegengolfen, er macht beides: verdient sich zur Freude der BFA zu seinem Rentner-Knäcke noch ein richtiges Zubrot
und
geht der Verbesserung seines Handicaps bei jedem Landgang nach.
    Hätte nicht übel Lust, in 35 Jahren sein Leben zu übernehmen. Die Vorstellung, mit knapp achtzig von einem maroden Gesundheitssystem wie ein Fehler behandelt zu werden und ein schlechtes Gewissen zu haben, weil das eigene Bett einfach nicht frei werden will, ist wahrlich weniger sexy. Der Mann hat mit Lee Marvin gedreht, und Steve McQueen und er waren beste Freunde. Gut, ich kann zumindest »I was born under a wandering star« singen und kenne
Die glorreichen Sieben
, aber dennoch, mit seinen stahlblauen Augen und dem dichten weißen Haar nötigt er einem Respekt ab, zumal ich vor allem das mit den Haaren nicht mehr hinkriegen werde.
    Apropos: Harald Schmidt, der sich inzwischen wieder in seiner Kölner Sitzgruppe langweilt, war so gar nicht der Anti-Christ, für den ich ihn immer hielt, sondern stellte sich an seinen drei Drehtagen als ein zu allen charmanter Kollege auf Augenhöhe heraus. Dies ist das wahre Jetset: Zwei Tage saß er im Flugzeug für drei Tage vor Ort. Gelebtes ökologisches Bewusstsein.
     
    Nach mehreren Stunden erlebter Gastronomie falle ich auf das wohlverdiente Bett und in einen ebensolchen Schlaf.
    Heute traumlos.

18
    Letzter Festlandtag
    Heut kehre ich diesem Platz, auf dem wir geparkt wurden und der so gerne schön wär, es aber einfach nicht ist, den Rücken und fahre mit einem Linienbus in die knapp sechzig Minuten entfernte Hauptstadt des Landes. Park and ride eben.
    Trinke nur einen schnellen Kaffee vom morgendlichen Hotelbüfett, alles andere krieg ich eh nicht runter. Obstsalat, der Frische vorgaukelt, aber nach Konserve riecht, Brot, das kross tut, mit dem man aber jemanden erschlagen könnte, und Wurst, mit der man, außer essen, alles machen kann, beispielsweise sich drin spiegeln. Ich
war
nie ein großer Frühstücker und hier
werd
ich es nicht. Der Kaffee ist okay, wenn man nicht erwartet, dass er nach Kaffee schmeckt. Der tonangebende Geschmack ist Chlor, im Abgang schmeckt er muffig, nur verbrühen kann man sich zum Glück nicht: er ist kalt.
    Derart gestärkt wackle ich zum Busbahnhof, der leicht zu finden ist, da anscheinend Gott und die Welt weg will. Ich seh meinen Bus schon von ferne. Er hat die längste Schlange. Brav reihe ich mich ein. Zu meiner Verwunderung verkauft der Busfahrer Fahrscheine, die den Gast an einen bestimmten Platz binden. Es gibt keine freie Wahl. Wie warme Semmeln werden ihm die Stehplätze aus der Hand gerissen, und ab jetzt komme ich mit dem Staunen nicht mehr hinterher. Dass man während der Fahrt überhaupt stehen
darf
, ist ja schon abenteuerlich, aber dass dies auch noch fast alle
wollen
, hätte mich stutzig machen sollen.
    So aber freute ich mich über meinen Platz, der in jedem Bus mein Lieblingsplatz ist, nämlich hinten, vorletzte Reihe, am Fenster. Frohgemut und nur leicht verstört erreiche ich ihn, während um mich Taschen, Koffer und Tüten auf den Plätzen abgelegt werden und man sich auf dem Mittelgang aufs Stehen einrichtet. Ich sitze noch keine fünf Sekunden, da fährt der Bus ruckelnd und spotzend los, und ich bekomme eine Ahnung, warum die einheimischen Fahrgäste in diesem Vehikel die Stehplatzvariante vorziehen.
    Zum einen versieht nämlich die Klimanlage nur röchelnd ihren Dienst und auch den nicht nach Vorschrift, sondern nach Gutsherrenart, so dass alle giraffig die Hälse recken, um zumindest die Windzüge aus den hochgestellten Dachluken zu erhaschen, und zum anderen ist mein Sitz dermaßen hart und unbequem, dass sich die eine Feder meines Polsters, die sich gefährlich den Weg Richtung Körperöffnung bahnt, geradezu weich dagegen ausnimmt. Ich werde schon auf den ersten Kilometern so kräftig und unnachgiebig durchgerüttelt, dass es mir zumindest gedanklich zum Strohhalm gereicht, dass mein Steißbein nicht auch noch einen Fuß hat, denn der wäre jetzt von Blasen und Schwielen übersät. Auch bei allen andern Sitzflächen, die ich sehen kann, beult sich die durchgesessene Auflage bedenklich, so dass ich in Ermangelung freier Stehfläche schäfisch meine Lage

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