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Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman

Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman

Titel: Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Maria Herbst
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machte einen kleinen Ausfallschritt, um an ihm vorbeizukommen. Er machte denselben Schritt. Ich wich zur anderen Seite aus, er wich mit. Und noch während ich darüber nachdachte, ob ich noch was sagen oder besser die Klappe halten oder, am allerbesten, mich in Luft auflösen sollte, legte er bereits wieder nach:
     
    »Und esss kann keine Ssssufall ssssein, den grosssten … äh … wie sssagt man?«
    »… Hm … Komiker?«
    »No!«,
     
    pöbelte er,
     
    »den grossten Ssssweinehund von die ganssse Welt vor die Flinte zu kriegen!«
     
    Mich schauderte.
     
    »… ähm … ›Flinte‹ jetzt im Sinne von …«
    »Sssseißse! In Sssinne von Ssseißse für dich!«
     
    Jetzt wurde es gaaanz langsam brenzlig. Er hatte mir nicht nur mit dem Tod durch das Gewehr gedroht, sondern mich auch noch geduzt. Nicht, dass ich etwas gegen Duzen an sich einzuwenden hätte, aber in Verbindung mit der sehr deutschen Redewendung »vor die Flinte kriegen« und das dann auch noch im Ausland und dann auch noch mit nur
einem
echten Schneidezahn – das war mir zu viel!
     
    Ich startete meinen finalen Rettungsschluss:
     
    »Hören Sie! Wir, also die Serie, ich meine, im besten Falle versuchen wir da im Fernsehen Wirklichkeit abzubilden, aber doch immer … immer überhöht. Verstehen Sie, wir bemühen uns in der kompletten Serie um Realismus, also eigentlich geradezu um Naturalismus. Ich weiß nicht, ob Sie mir … Jedenfalls ist jeder Stotterer, jede … jede dampfende Kaffeetasse, jeder, jeder Blick, alles, ausnahmslos, ist wie … wie eine Choreographie, da wird nichts dem Zufall überlassen. Dem ganzen Team geht’s nur darum, dass …«
    »… dass echt rüberkommt, wasss echt issst!«
     
    Du gute Güte! Jetzt wusste ich, wo der Hase langlief, und ich hoffte, dass er schneller war als dieser Jäger hier. Er hielt mich für den echten Bernd und nicht für seinen Darsteller!
    In vergangenen Jahren hatte ich vergleichbare Situationen als Kompliment abgehakt, aber schon damals war mir klar, dass mir das nur so lange gelingt, wie ich nicht mit gebrochenem Nasenbein im Herz-Jesu-Krankenhaus liege. Der Rächer der Unterprivilegierten stand mit seinem Zahn vor mir wie Henry Fonda vor Bronson in
Spiel mir das Lied vom Tod
, und als würde er ahnen, wie er mir vorkam, spuckte er mir vor die Füße. Mir entfuhr auf diese Demütigung hin ein leider nur fast unhörbarer Ausatmer, denn schon schrie mein persönlicher Alonso Fonda:
     
    »Ssssiehssst du! Dasss Ausssatmen! Genaussso macht esss diesssesss, diessssess menssssenverachtendess Assssloch!«
     
    »Menschenverachten
de
Arschloch!«,
     
    verbesserte ich ihn, und schon hatte ich mir eine gefangen.
    Einmal mehr war ich froh, dass das mit der Flinte wohl wirklich nur bildlich gewesen war, nichtsdestotrotz wagte ich kaum darüber nachzudenken, bei welcher Gelegenheit dieser leicht verstrahlte Pazifiker hier einen seiner wichtigsten Zähne eingebüßt haben mochte. Er schien zu allem bereit zu sein.
    Vielleicht hatte mein
Stromberg
-Kollege Bjarne Mädel, der den Ernie spielt und ausgemachter Chile-Freund ist, bereits
vor
mir eine Begegnung der dritten Art mit diesem Herrn hier gehabt und ihm dabei das Gebiss veredelt. Das musste ich ihn unbedingt fragen – falls ich hier wieder lebendig rauskam. Bislang hatte mir der lateinamerikanische Stalker nur eine gewischt. Mein mir eigener christlicher Ansatz ging jetzt nicht so weit, ihm auch noch die andere Wange hinzuhalten, und so entschied ich mich für das, was ich eh vorgehabt hatte: Laufen! Ich zeigte mit erhobenem Finger und verdutztem Gesicht auf einen imaginären Punkt hinter ihm, rief lauthals:
     
    »Och!!!«
     
    und nutzte sein erschrockenes Rumdrehen dazu, die Beine in die Hand zu nehmen und weiterzujoggen, auch wenn es sich nun eher wie Wegrennen anfühlte. Ein deutliches
     
    »K a c k s t i e f e l !!«
     
    rief ich allerdings doch noch zurück, und so, wie er meine Serie zu kennen schien, würde er selbstverständlich wissen, dass genauso Ernie Stromberg in Staffel vier nennt.
     
    Da denkt man, man hätte zwischen all den Mengeles endlich die Aussicht auf Ruhe und könne einfach mal überheblich draufloslaufen und zack!, fliegt einem auch schon die eigene Hybris um die Ohren.
    Hola Sssstromberge!
    Wenn mich gleich eine alte, hässliche Blondine in ostdeutschen Klamotten auf einen Kaffee einlädt und mich ansächselt mit den Worten »Hallo, ich bin die Margot!«, dann gehe ich nach Hause.
    Morgen klebe ich mir

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