Ein Tropfen Blut
hauptsächlich Sachen, die später mal zu Herzinfarkt und Fettleber führen.«
Die ›Lebensgefährtin‹ sah von ihrem Magazin auf und bedachte den Älteren mit einem zweifelnden Blick. »Als ob du in den letzten dreißig Jahren bei deiner Ernährung einmal an deine Gesundheit gedacht hättest. Alles unter viertausend Kalorien hatte bei dir doch nicht den Hauch einer Chance.«
»Du vergisst, dass ich nach dem Krieg aufgewachsen bin«, antwortete der Gemüsefreund und vernichtete das nächste Radieschen. »Nach den ganzen Entbehrungen war man froh, etwas zu beißen zu kriegen.«
»Jau, und bei Wind und Wetter zwanzig Kilometer barfuß zur Schule«, sponn Zander den Faden weiter.
»Nicht gerade zwanzig, aber sieben waren es bestimmt. Und tatsächlich manchmal barfuß.«
»Noch ein Wort und du pennst heute Nacht auf dem Balkon«, warnte Katharina. »Mein Vater hat mich ausreichend mit solchen Storys versorgt.«
»Ich wollte doch nur zum Ausdruck bringen, dass ich keine Lust auf eine Arterienverkalkung oder noch Schlimmeres habe«, verteidigte sich Gassel. »Und früher hast du doch selbst streng auf deine Figur geachtet. Neuerdings paffst du wie ein Schlot und schüttest pfundweise Hamburger, Pommes und Schokolade in dich hinein.«
Die Blonde klopfte sich zufrieden auf den flachen Bauch und grinste. »Jetzt behaupte noch, ich sei zu dick.«
»Nein. Dafür hast du in zehn Jahren Lungenkrebs.«
»Hör auf«, bat Zander. »Mein Opa hat sechzig Jahre jeden Tag zwei Schachteln weggequalmt. Und woran ist er gestorben? Beim Spazierengehen gestolpert und das Genick gebrochen.«
»Das beweist gar nichts«, blieb Gassel stur. »Wer im hohen Alter nicht mehr gut zu Fuß ist, sollte besser zu Hause bleiben.«
»Ging nicht«, erklärte Zander. »Der war auf dem Weg zur Chemotherapie. Lungenkrebs.«
»Du bist genauso bekloppt wie der Kniestrumpfträger da«, mokierte sich Katharina. »Ich geh duschen.«
»Wie wer?«, fragte Gassel, nachdem die Herrin des Hauses abgerauscht war.
»Machst du das eigentlich alles wegen deines Mäuskens?«, überging Zander die Frage. Solange Katharinas Kollege ihr Gast war, hatte er sich zurückhalten wollen, aber er gierte nach Informationen.
Gassel stopfte das letzte Radieschen in sich hinein und angelte sich dann aus der Obstschale einen Apfel. »Nein.«
»Nun komm schon, bleibt auch unter uns Pastorentöchtern«, drängte der Sozialarbeiter.
»Das hat mit Carina nicht das Geringste zu tun«, gab Gassel mürrisch Auskunft. »Mein Arzt hatte mir schon lange vorher geraten, endlich abzunehmen.«
»Sodele, Carina heißt sie also. Hübsch?«
»Du bist widerlich«, meinte Gassel kopfschüttelnd.
»Stimmt das, ist deine Freundin wirklich jünger als Katharina?«
Gassel nickte. »Ja, aber nicht viel.«
»Hast du zufällig ein Bild von ihr da?«
»Da sage noch jemand, Männer könnten nicht tratschen«, grinste Gassel, zupfte aber seine Geldbörse aus der Gesäßtasche. Aus dem Fach für die Scheine zog er eine nur wenig zerknitterte Fotografie ans Licht.
»Ja, da brat mir doch einer einen Storch«, entfuhr es Zander. »Das ist jetzt ein Witz, oder?«
»Warum?«
»Mit der Frau teilst du neuerdings Tisch und Bett?«
Gassel seufzte und fuhr seine Finger nach dem Bildchen seiner Angebeteten aus, aber Zander war schneller.
»Das ist ja ‘ne Schönheit«, staunte er. »Mann, Dicker, da hast du aber ‘nen Sechser im Lotto gezogen.«
»Es ist nicht das Äußerliche«, erklärte Gassel entschieden. »Zugegeben, es gibt weitaus hässlichere Frauen, aber deswegen bin ich nicht mit ihr zusammen.«
»Sag mal, hat die irgendwie ‘nen umgedrehten Ödipuskomplex?«
»Unsinn. Jetzt gib das Bild wieder her.«
»Sofort. Mein lieber Scholli, da kann man tatsächlich auf dumme Gedanken kommen.«
Gassel schmunzelte und beförderte das Bild wieder so vorsichtig in sein Portemonnaie, als wäre es die Bundeslade.
Zander kratzte sich kurz über den Nasenrücken und pflückte die Fernbedienung vom Tisch. Einen Augenblick später flammte der Bildschirm des Fernsehers auf und Wilfried Mohren gab die Mannschaftsaufstellung der heutigen Viertelfinalisten bekannt.
»Na, wie tippst du?«, wechselte er nicht unerwartet das Thema.
»Italien gewinnt«, meinte Gassel kategorisch.
»Quatsch. Hoffentlich fliegen die achtkantig raus. Cattenaccio wie in den Sechzigern.«
»Sei mir nicht böse, aber von Fußball hast du keine Ahnung«, widersprach Gassel und wuchtete seine Füße auf die Couch. »Ist
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