Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
bestandene Prüfung, ein Teilzeitjob, daß er krank gewesen sei, es ihm jetzt aber wieder bessergehe. Sobald wir dann festgestellt hatten, daß wir uns nicht mehr zu sagen hatten, fragte ich ihn immer, ob er genug Geld habe, und er sagte immer ja. Trotzdem schickte ich ihm am nächsten Tag normalerweise so um die 25 Pfund, für alle Fälle.
Diesmal war es anders. Er sei vor Beginn des Semesters für ein paar Tage bei seiner Mutter in London, und könne er mich in der Zeit sehen? Also verabredeten wir uns in einem Restaurant in der Nähe des Parks, in dem wir das Picknick mit den Webbs und den Hambles gemacht hatten, wenn Sie sich erinnern.
»Das geht dann auf mich«, sagte ich. »Aber damit keine Mißverständnisse aufkommen. Es ist nur ein Kredit, bei dem vielen Geld, das du eines Tages verdienen wirst. Das einzige Essen auf Rädern, mit dem mich dann zufriedengeben werde, wird auf einem Servierwagen im Cafe Royal dahergerollt kommen.«
»Dad«, erwiderte er nach einer Pause, »ich will dich unbedingt wiedersehen. Hast du dich verändert?«
»Noch nicht. Noch bin ich der alte Schmuddelsack von früher. Wenn du’s genau wissen willst, ich stehe hier splitternackt am Telefon, und mein Badewasser wird kalt. Die Annehmlichkeiten moderner Sanitärtechnik werden in dieser Gegend erst Mitte der Neunziger erwartet. Aber ich kann mir ja noch einen Kessel aufs Feuer setzen.« Ich hob die Stimme. »Es ist weniger die Taubheit,
die mir was ausmacht, sondern viel mehr die Inkontinenz. Muß mir ein Außenklo mit den Nachbarn teilen, eine fünfköpfige Familie, elf, wenn man alle Kinder mit dazurechnet, da müssen richtige Ausscheidungsentscheidungen getroffen werden, das kann ich dir sagen.«
»Das ist ja widerlich, Dad. Du hast dich anscheinend überhaupt nicht verändert.«
Ich klickte mit den Zähnen. »Wie gesagt, splitterfasernackt. Hörst du, wie mein Gebiß klappert? Also dann, bis bald.«
»Okay, Dad. Paß auf dich auf.«
Wir saßen einander gegenüber in diesem Restaurant, das sich ziemlich verändert hatte seit der Zeit, als ich meine Familie zu besonderen Anlässen hierher ausgeführt hatte, vielleicht nach einem dieser erbaulichen Filme, die wir uns gelegentlich anschauen durften. Oder um meiner Frau eine Abwechslung zu bieten von der Heim-und-Lohn-Sklaverei, wie sie das nannte. Damals erhielt man noch ein bißchen persönliche Aufmerksamkeit wie ein sauberes Tischtuch oder überhaupt ein Tischtuch, Ketchup, Zucker, Senf, Worcester-Sauce und Pfeffer bekam man nur, wenn man es verlangte, und am Besteck konnte man nicht ablesen, daß das heutige Tagesgericht dasselbe war wie das gestrige. Jetzt gab es nur noch Sitznischen mit Resopal-Oberflächen, von denen man zumindest sagen konnte, daß sie schon einmal abgewischt worden waren. Kurz gesagt, eine absolut bezaubernde Lokalität, um dort den einzigen Sohn zu verwöhnen, den man schon mehr als ein Jahr lang nicht mehr gesehen hatte. Er war ordentlich und sauber gekämmt und allgemein geschniegelt und sah vollkommen gräßlich aus.
Die Kellnerin stand vor uns, den Bleistift über dem Notizblock in Bereitschaft, und schaute desinteressiert von einem zum anderen wie eine Fahrkartenverkäuferin in der Victoria Station. Sie gähnte und sagte: »Wie ich sehe, haben wir uns noch nicht so recht entschieden. Der Laden wird langsam voll, nicht? Mittag ist eben Hauptessenszeit.«
Und ich erhob mich so weit, daß ich über die Trennwand hinweg sehen konnte, daß wir noch immer die einzigen Gäste waren,
bis auf einen deprimierten Kerl mit einer Schottenmütze, der an der Theke herumlümmelte und die Kaffeemaschine anstarrte und der vielleicht schon dasaß, seit Schottland sein letztes Fußballspiel in Wembley verloren hatte. Genau das sagte ich zu Adrian, als die Kellnerin »Wie ihr wollt« murmelte und uns verließ. Mit Sicherheit war sie unterbezahlt oder müde oder hatte viel Schlechtes in ihrem Leben zu ertragen, einiges davon verursacht von Kunden wie mir, denen es viel besserging als ihr und die unhöflich zu ihr waren oder sie verarschten, wie ich es getan hatte. Ist es denn nicht zum Schreien, was die Leute alles auf sich nehmen, um sich selber aufzuheitern?
Ich eröffnete das Gespräch, indem ich ihn fragte, wie es seiner Mutter gehe.
»Hat sehr viel zu tun«, erwiderte er. »Und sie scheint ziemlich berühmt zu werden, Bezirksrätin und das alles.«
»Natürlich Labour.«
»O Mann, klar, das sind sie beide. Fast schon bei der militanten
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