Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
über die Lippen gekommen. Sehr respektvoll war er, dein Vater. Im Laden war er allerdings nicht so geschäftsmäßig.«
Unsere Blicke trafen sich, und wir schauten einander an, zum letzten Mal, wie sich zeigen sollte. Fragte sie mich, ob ich begriff, worauf sie hinauswollte, oder wollte sie mir sagen, daß auch sie die lustige Seite des Ganzen sehen konnte und daß genau dort
Liebe zu finden sein könnte, in der Art, wie ich mich an sie erinnerte?
An diesem Punkt kam Mr. Ranasinghes Frau oder eine andere Verwandte herein und brachte einen riesigen, quadratischen Schokoladenkuchen mit vielen Entschuldigungen, daß sie uns störe. Ich dankte ihr und schaute meine Mutter an, weil ich erwartete, daß sie dasselbe tat. Sie machte neben dem Teetablett Platz für den Kuchen und sagte: »Wir reden über Sex.«
»Keine Ursache, Mrs. Ripple. Ich werde Sie in Ihren Familienangelegenheiten nicht wieder stören.«
Sie lächelte mir schüchtern zu, und ich begleitete sie mit nochmaligem, überschwenglichem Dank bis zur Treppe. Sie faßte nach meinem Arm und flüsterte: »Mrs. Ripple ist sehr gut zu uns, eine sehr nette Dame.« Dann lächelte sie noch einmal, und nun lag überhaupt keine Schüchternheit mehr darin, so als wollte sie mir sagen, daß dies ein sehr interessantes und auch angemessenes Thema für ein Gespräch zwischen Mutter und Sohn sei. »Sie ist auch eine sehr rechtschaffene Dame«, fügte sie noch hinzu.
Als ich zurückkehrte, sagte meine Mutter nur: »Den nimmst du dir am besten mit. Ich mag keinen Schokoladenkuchen. Habe ich noch nie gemocht.« Sie wurde nun langsam müde, ihr Kopf neigte sich leicht zur Seite, und für einen Augenblick schloß sie die Augen.
»Das war aber sehr nett von ihnen«, sagte ich.
»O ja«, sagte sie, »nett sind sie, das stimmt. Das muß ich zugeben. Kann mir nicht vorstellen ...« Sie hielt inne und setzte sich steif und aufrecht hin, als wäre sie eben zu einer Entscheidung gelangt, vielleicht über die unüberwindliche Vergeblichkeit des Ganzen. »Jetzt mußt du aber los, wenn du deinen Zug nicht verpassen willst, und laß den Kuchen hier, wenn er dir zuviel Umstände macht. Ich werde ihn schon essen, wenn ich muß.«
Ich ging zu ihr, um sie zu küssen, aber wie immer drehte sie den Kopf zur Seite und wich zurück. Als ich mich an der Tür noch einmal umdrehte, waren ihre Augen bereits geschlossen. Den Kuchen ließ ich stehen, zwar nicht mit Absicht, doch als ich es bemerkte, wollte ich auch nicht mehr zurückgehen. Auf dem Weg
nach draußen sagte mir Mr. Ranasinghe noch einmal, was für eine liebenswürdige Dame sie doch sei. Und ganz offensichtlich meinte er es ernst. Eine andere Frau war bei ihm und drei kleine Kinder, die ehrfurchtsvoll zu mir hochschauten, da ich doch der Sohn einer so netten Dame war. Das war das letzte Mal, daß ich sie sah, und sie hatte es bereits gewußt. Nichts von irgendeiner Bedeutung war gesagt worden, keine Fragen waren gestellt worden, es hatte keinen Lebensrückblick gegeben, als gäbe es im Leben auch ohne das alles schon genügend Illusionen. Wir hatten kein Wort über Adrian und Virginia verloren, denn dies hätte uns bloß dazu verleitet, Zuflucht in der Kontinuität der Dinge zu suchen. Ich wünschte mir nur, sie hätte Jane kennengelernt, denn Jane hätte gewußt, was da an Heilung nötig gewesen wäre.
Mir ist bewußt, daß das keine zufriedenstellende Art ist, über den Tod der Mutter zu berichten. Es scheint wenig Liebe zwischen uns gewesen zu sein, so wie ich es erzählt habe. Kann ich ihr so wenig bedeutet haben? Ich werde es nie erfahren: Du bist jetzt auf dich gestellt, und das hat mit mir nichts mehr zu tun — könnte es so einfach gewesen sein? Ich habe nicht um sie getrauert, aber sie ist beständig in meinen Gedanken. Die Ranasinghes halfen mir großzügig bei den Begräbnisvorbereitungen und bezahlten mir eine stattliche Summe für den Laden. Ich glaubte keinen Augenblick, daß die Aussicht auf den Laden der Grund war, warum sie so gut zu ihr waren. Und ich bin mir sicher, daß auch sie es nicht glaubte, denn sonst hätte sie etwas gesagt. Sie nahm ihre Anständigkeit für selbstverständlich, als wäre es genau so, wie es sein sollte. Vielleicht liegt irgendwo in dieser Richtung auch ihre Einschätzung von mir. Und manchmal bin ich mir sicher, daß sie mir am Ende die Freundlichkeit erwies, wenigstens zu versuchen, mir in meiner Welt zu begegnen, oder was sie dafür hielt — purer Schmuddel –, und darin muß
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