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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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Sache wieder heraus. Und dann höre ich Janes Stimme, die sagt, daß es mir nur guttun würde, und ich sehe Maria, wie sie zu mir hochstarrt mit dieser erwartungsvollen Unschuld, und die Schwellung nackten Fleisches unter ihrer Bluse. Und ich weiß, daß ich in dieser Sache absolut keine andere Wahl habe. Es gibt so viel, was mir fehlt. Es ist die Unzulänglichkeit dessen, was ich als Unglücklichsein kenne, vielleicht auch seine Kurzlebigkeit.
    Es ist der Abend vor unserer Abreise. Heute vormittag lief mir Annelise über den Weg. Es kam mir vor, als hätte ich sie sehr lange Zeit nicht gesehen. Ich erzählte ihr auf eine, wie ich hoffte, sehr weltmännische Art, daß ich nach Warschau reisen würde.
    »Schauen Sie ab und zu mal nach der Wohnung«, sagte ich. »Und wenn Sie nichts dagegenhaben, könnten Sie vielleicht auch mal mit dem Hund Gassi gehen.«
    »Warschau. O Mann, wie interessant. Ich würde diese Länder auch mal gern sehen. Wenn Sie zurückkommen, müssen Sie mir alles darüber erzählen.«
    »Und Sie passen auf sich auf. Wenn ich zurückkomme, muß ich Sie unbedingt tanzen sehen.«
    Sie lächelte leicht mit ungeöffneten Lippen, vielleicht über meine Höflichkeit, da ich doch wichtigere Dinge im Kopf hatte.
Ich weiß nicht, warum ich ihr nicht sagte, daß ich Mrs. Bradecki nach Hause bringe. »Ich wünsche Ihnen eine wirklich schöne Zeit«, sagte sie und meinte es ernst.
    Dann ging sie vorsichtig und mit einem leichten Humpeln die Treppe hinunter. Erst jetzt wurde mir bewußt, wie kränklich sie ausgesehen hatte und wie unglücklich und müde. Vielleicht war sie dankbar, daß ich sie nicht gefragt hatte, wie es ihr gehe, obwohl das Fehlen konventioneller Höflichkeit das sowieso verhindert hätte.
    Ich führte noch zwei Telefonate: eins mit Virginia, die mir viel über Anns frühe Laster und Tugenden erzählte und berichtete, sie hoffe, bald eine Teilzeitstelle als Sprachtherapeutin in einer Einrichtung zu bekommen, die eine Kinderkrippe habe. Ihr Mann, dieser langfingerige Grabscher, sei inzwischen zum stellvertretenden Regionalverkaufsleiter befördert worden. Er sei viel unterwegs, und die Firma habe ihm einen brandneuen Kombi zur Verfügung gestellt. Dann gab es eine kurze Pause. »Er hat mir gesagt, ich soll dir sagen«, sagte sie, »daß er ihn dir in seinem Testament vermacht.« Noch eine Pause. »Schade, daß es keine Limousine ist«, sagte ich. Wie auch immer, in dieser Ecke schien es mehr als gut zu laufen, und meine Reise nach Polen machte keinen sonderlich großen Eindruck. Ich rief auch Jane an. Sie klang fröhlich. Ich sagte ihr, sie solle Adrian einen schönen Gruß ausrichten, der, obwohl es bereits nach acht war, noch immer nicht zu Hause war.
    »Er übertreibt’s doch nicht, oder?« fragte ich.
    »Es ist sein Leben«, erwiderte sie ohne auch nur die leiseste Spur eines Seufzens. »Du brauchst dir um ihn keine Sorgen zu machen.«
    »Wenn du es nicht tust, dann tue ich es auch nicht.«
    »Ah«, war alles, was sie dazu sagte, bevor sie mir, ein wenig zu beiläufig meiner Meinung nach, eine gute Reise wünschte.
    Stimmte da irgend etwas nicht? Warum hatte sie mir gesagt, ich brauche mir keine Sorgen zu machen?
    Vorgestern passierte noch etwas Schönes. Ich erhielt einen Brief von Sidney, dem er eine Weihnachtskarte der Witwe des Colonels beigefügt hatte. Er schrieb: »Die neuen Besitzer Ihres schicken,
kleinen Landhausjuwels haben mir die Karte vor ein paar Tagen vorbeigebracht. Haben sie unter dem Fußabstreifer oder sonstwo gefunden, und der Vikar hat mir Ihre Adresse gegeben. Sie sollten mal sehen, wie die das Häuschen herausgeputzt haben. Rentner finden ja immer Zeit für so was, nicht? Vor allem der Garten. Gemüse haben sie auch. Dürfte den Wiederverkaufswert schon ein bißchen in die Höhe treiben. Der Immobilienmarkt ist zur Zeit echt mau. Hab mir schon überlegt, ob ich aussteigen soll. Hab es schon einmal probiert, statt dessen Autoversicherungen in Norwich verkauft. Furchtbar. Vielleicht, wenn ich diese verdammte Bruchbude von einem sogenannten Kunsthandwerkszentrum endlich losgeworden bin. Aber wozu tauge ich denn sonst noch? In potentieller Bedürftigkeit, Ihr Sidney.«
    Die Karte zeigte ein Porträt von Hogarth mit Pinsel und Palette vor einer schwarzen Leinwand. Sie schrieb: »Wie ist das Leben im windigen, alten Suffolk? Ich vermisse Euch Jungs, wenn die Sonne drall am Himmel steht und die Blätter schweigen. Auch bringt Ihr euch weniger gegenseitig um, als wir es

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