Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
tun. Susie ist schwanger. Dem armen, alten Kerl hätte das einen Heidenspaß gemacht. Ich vermisse ihn, als wäre es erst gestern passiert. Halten Sie die Flagge am Flattern, aber nicht zu heftig und nicht zu hoch am Mast. Alles Liebe, Agnes.«
Ich kann mich nicht erinnern, daß der Vikar mich nach meiner neuen Adresse gefragt hätte, aber in seinem Beruf ist das vielleicht gar nicht nötig. Ich habe keine Ahnung, was Sidney mit dem Garten gemeint haben könnte. Aber bei der ganzen Vorarbeit, die ich hineingesteckt habe, sollte der Rest doch ein Kinkerlitzchen sein, wie Foster es nennt. Aber Gemüse? Zuerst mißfiel mir, was das für die allgemeine Buntheit des Gartens bedeuten würde. Und dann dachte ich an die Hambles und ihr kleines Anwesen und was das alles für sie bedeutet hatte. Plötzlich gefiel mir die Vorstellung, daß Leute wie die Hambles inmitten der gesundheitsfördernden Verbesserungen sitzen, die sie meinem Garten haben angedeihen lassen.
Foster kam zu mir hoch, um auf Wiedersehen zu sagen. Einen
Drink lehnte er ab. Wie er mich in diesem Augenblick anschaute, war irgendwie weniger verächtlich, eher resigniert. Er schien eine gewisse Weltmüdigkeit zu verströmen, wie er so leicht gebückt an meinem Fenster stand und auf die Straße hinunterstarrte, wo er seinen Volvo abgestellt hatte. Aber er war, wenn überhaupt, eleganter gekleidet denn je, seine Oxford-Schuhe waren auf Hochglanz poliert, die Köperhose hatte eine messerscharfe Bügelfalte, die pflaumenfarbene Weste und das Hahnentritt-Tweedsakko wirkten brandneu. Seine Stimme war so barsch und brüsk wie eh und je.
»Mit dem Zurückkommen können Sie sich ruhig Zeit lassen. Meiner Erfahrung nach, die ja nicht zu verachten ist, vermißt man die Heimat nur bis zu einem gewissen Grad. Glauben Sie nur ja nicht, daß Reisen den Horizont erweitert. Völliger Blödsinn. Wir Kolonialisten haben die Nacht durchgesoffen und den größten Quatsch geredet und diesen vertrottelten Ivor Novello und seinesgleichen gehört. Rauch weht dir in die Augen, und wir sehen uns wieder, und dann pflücken wir Flieder, kein Wunder, daß wir nicht geradeaus denken konnten, und draußen in der Dunkelheit trommelten die Afs und trieben Gott weiß was für einen Humbug.« Er fing an zu singen. »Ich bin im Himmel, ich bin im Himmel, und mein Herz ... Jesus weinte. Musik ist an einigem schuld, meiner bescheidenen Meinung nach. Manchmal hat sie mich so weit getrieben, daß ich rausgehen und einen verdammten Elefanten schießen wollte. Nicht alles, das muß ich zugeben, die Sachen, die meine Frau ... Schubert, Chopin, Schumann, wie immer die auch heißen, diese Jungs. Na, dann mal los, und daß Sie mir nur ja nicht in Schwierigkeiten geraten.«
An der Tür streckte er mir seine Hand entgegen, und ich nahm sie. Das hatte er bis jetzt nur getan, als wir uns kennenlernten, und jetzt hielt er die meine einige Sekunden lang fest. Sein Händedruck war merkwürdig sanft, und sein Fleisch wirkte weich. Aber seine hellblauen Augen hatten sich wieder verhärtet zu diesem Blick der Geringschätzung, als gäbe es nichts mehr, was er noch hassen könnte.
Paß, Travellerschecks, Hemden, Socken, Unterwäsche. O Mann,
schauen Sie sich die an. Ich glaube, die habe ich noch vor meiner Hochzeit gekauft. Habe sie erst vor einer Woche in den Waschsalon gebracht. Was habe ich da nur mit in die Maschine gesteckt, daß die alten eierschalenfarbenen jetzt einen Stich ins Malvenfarbene haben? In meinen Maureen-Tagen hatte ich ein Unterhosen-und-Socken-Ersetzungsprogramm durchgeführt. Die brauche ich nicht mehr aufzuheben. Und schauen Sie, wo sich das Eierschalenfarbene zu einem fadenscheinigen Khaki verdunkelt, der unbleiche Fleck eines gelebten Lebens. Ich warf sie in den Papierkorb. Steckte sie dann wieder in den Koffer. Wer würde sie denn zu sehen bekommen? Höchstens Annelise, der ich den Schlüssel zu meiner Wohnung gegeben hatte. Ich konnte mir gut vorstellen, wie sie sie mit spitzen Fingern in die Höhe hob – als wäre es möglich, daß sie deswegen noch weniger von mir halten könnte.
KAPITEL SECHS
S ie scheint schon lange her zu sein, meine Reise nach Polen, und es fällt mir schwer, von ihr zu erzählen. Meine Tagebücher sind mir keine große Hilfe, da ich allem Anschein nach vorwiegend Nebensächlichkeiten notiert habe, wie jemand, der Zeuge einer epischen Schlacht wird und nur die Szenerie sieht, die Rauchwölkchen und die Farben der Uniformen.
Um neun Uhr morgens mußten
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